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Sushi Für Anfaenger

Sushi Für Anfaenger

Titel: Sushi Für Anfaenger Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marian Keyes
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voller hektischer Betriebsamkeit. »Wir sind fast so weit. Hier, rühr mal die Soße um!« Das war an ihren gutmütigen, phlegmatischen Ehemann gerichtet. »Etwas zu trinken, Lisa?«
    Lisa wollte gerade um ein Glas trockenen Weißwein bitten, als Kathy ihr vorschlug: »Johannisbeersaft? Tee? Milch?«
    »Oh, Milch bitte.«
    »Hol Lisa ein Glas Milch!« Kathy zielte mit dem Fuß nach Jessica, die sich mit Francine am Fußboden wälzte. »Nimm eins von den guten Gläsern. Setzt euch an den Tisch, alle miteinander!«
    Lisa bemerkte, dass auf ihrem Teller ungefähr dreimal so viel aufgehäuft war wie bei den anderen. Bevor sie den Mund aufmachen konnte, um zu sagen, dass sie keine Kartoffeln aß, hatte Kathy ihr mindestens vier Röstkartoffeln gegeben. Sie versuchte so zu tun, als wären sie gar nicht auf ihrem Teller, aber sie sahen so gut aus und rochen so köstlich... Sie widerstand noch ein bisschen, dann gab sie sich geschlagen, und zum ersten Mal seit zehn Jahren verzehrte sie eine Röstkartoffel. Morgen fange ich mit der Diät an.
    »Hör auf, gegen das Tischbein zu treten!«, fuhr Kathy Lauren, den Jüngsten, an. Lauren zog eine Grimasse, hörte auf und fing drei Sekunden später wieder an.
    »Du stößt mich dauernd mit dem Ellbogen«, beschwerte Francine sich bei Lisa.
    »Entschuldigung.«
    »Du musst nicht Entschuldigung sagen«, sagte Francine zerknirscht. »Du musst sagen, wenigstens schmatzt du nicht beim Essen.«
    »Ach so, verstehe.«
    »Oder du bist wenigstens nicht so verfressen«, schlug Jessica vor.
    »Oder ich furze wenigstens nicht dauernd«, sagte Lisa.
    »Genau!«
    Sie saßen um den kleinen Küchentisch gedrängt, der Fernseher lief und alle, Lisa wahrscheinlich eingeschlossen, hatten einen Milchbart, und plötzlich fühlte Lisa sich zurückversetzt. Aber wohin? Woran erinnerte sie das hier?
    Und dann stieg ein schreckliches Bild in ihr auf. Es war wie ihr Zuhause in Hemel Hempstead.
    Die Enge, der Lärm, die harmlosen Zankereien - alles fühlte sich genauso an. Wie war sie nur da wieder gelandet?
    »Ist alles in Ordnung, Lisa?«, fragte Kathy.
    Lisa nickte. Aber sie musste hart gegen den intensiven Wunsch, von ihrem Platz hochzuschießen und aus dem Haus zu rennen, angehen.
    Sie war ein Kind aus der Arbeiterschicht und hatte ihr Leben lang versucht, etwas anderes zu sein. Und obwohl sie jahrelang gebuckelt und sich abgemüht hatte, obwohl sie ständig aufgepasst und nie einen Moment in ihrer Wachsamkeit nachgelassen hatte, war sie doch wieder da gelandet, wo sie angefangen hatte.
    Das machte sie sprachlos.
    Sie hatte sich nie Gedanken darüber gemacht, was sie zurückließ, als sie sich von ihren eigenen Wurzeln wegkatapultiert hatte. Es hatte Belohnungen gegeben, für die es sich immer gelohnt hatte. Aber als sie an Kathys Küchentisch saß, war kein äußeres Zeichen ihres glanzumwobenen Lebens, das sie für sich aufgebaut hatte, sichtbar. Stattdessen war sie erschüttert, als sie erkannte, was sie aufgegeben, hatte - Freunde, Familie und, am schlimmsten von allem, Oliver.

60
    Es war Mitternacht, und Jack Devine war erschöpft und entmutigt. Er war zwei Stunden lang durch die Straßen Dublins gelaufen und hatte nach Boo Ausschau gehalten, jedoch ohne Erfolg. Er kam sich nutzlos vor, wie ein kaputter Gummistiefel. Abgesehen davon, dass er die Hauseingänge in der Nähe von Ashlings Wohnung abgesucht hatte, wusste er nicht, wohin er sich wenden sollte. Wo hielten sich Obdachlose auf?
    Jeder einzelne Obdachlose, den er nach Boo gefragt hatte, hatte geleugnet, ihn zu kennen. Vielleicht kannten sie ihn wirklich nicht, aber Jack vermutete eher, dass sie ihn schützen wollten. Hätte er ihnen eine Zehn-Pfund-Note zustecken, Qualm in die Augen blasen und sagen sollen: »Vielleicht hilft das deinem Gedächtnis auf die Sprünge«? So passierte es jedenfalls in Raymond-Chandler-Krimis.
    Seine Ohnmacht und seine mangelnden Kenntnisse vom Leben auf der Straße verfluchend ging er weiter. Bog von der Hauptstraße ab, in schmale Gassen hinein, in Liefereinfahrten ... Vielleicht war er das? Auf mehreren Schichten Pappe lag ein mageres Bündel Knochen zusammengekrümmt unter einem Mantel.
    »Entschuldigen Sie bitte.« Jack hockte sich neben die Gestalt, und ein dünnes, sehr junges Gesicht sah zu ihm auf. Wachsam und ängstlich. Es war nicht Boo.
    Er kehrte zur Hauptstraße zurück, er wusste nicht mehr weiter. Es reichte ihm für einen Abend; er würde ein andermal weitermachen. Auf dem Weg zu seinem Wagen

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