Sushi Für Anfaenger
schweigend; er wollte ermutigen, war aber machtlos.
»Ich sollte mit der Arbeit anfangen«, sagte sie.
»Die Traurigkeit, die Sie bedrückt«, sagte Jack. »Ist sie allgemein oder richtet sie sich auf etwas Bestimmtes?«
Ashling überlegte und sagte nach einer Weile: »Sie richtet sich auf etwas Bestimmtes, glaube ich. Ich kenne da einen obdachlosen Jungen. Boo, der von den Fotos - erinnern Sie sich? Durch ihn ist mir klargeworden, was es bedeutet, obdachlos zu sein, und es zerbricht mir das Herz.«
Nach einem Moment des Schweigens sagte Jack nachdenklich: »Wissen Sie, wir könnten ihm einen Job geben. Er könnte mit einem einfachen Job als Laufbursche beim Sender anfangen.«
»Aber Sie können jemandem, den Sie gar nicht kennen, keine Arbeit anbieten.«
»Ich kenne Boo.«
»Woher?«
»Ich bin ihm einmal auf der Straße begegnet. Ich hatte ihn von dem Foto her erkannt, und wir haben uns eine Weile unterhalten. Ich wollte mich bei ihm bedanken; die Fotos haben dem Profil von Colleen enorm geholfen. Ich fand, dass er sehr intelligent und interessiert wirkte.«
»Oh, das ist er auch, er interess - Moment mal, meinen Sie das ernst?«
»Klar. Warum nicht? Wir verdanken ihm einiges, weiß der Himmel. Wenn man bedenkt, wie viele Anzeigenkunden uns diese Bilder eingebracht haben.«
Ashling wurde einen kurzen Augenblick lang froher, dann sank sie wieder in ihr schwarzes Loch. »Und was ist mit all den anderen Obdachlosen? Die nicht auf den Bildern waren?«
Jack musterte sie und lachte dann traurig. »Ich kann nicht allen Arbeit anbieten.«
Mit großem Geklapper ging plötzlich die Tür auf, und ein peppiger junger Mann bedachte alle Anwesenden mit einem breiten Strahlen. »Morgen, ihr Hübschen!«, sagte er.
»Wer ist das?«, fragte Ashling mit einem Blick auf sein strähnen gefärbtes Haar, die magentafarbene Hose, das durchsichtige T-Shirt und die winzige Lederjacke, aus der er sich soeben herausschälte.
»Das ist Robbie, unser Neuer. Er tritt an Mercedes‘ Stelle«, sagte Jack. »Er hat am Donnerstag angefangen. Robbie! Kommen Sie - ich stelle Ihnen Ashling vor.«
Robbie fasste sich mit flatternder Hand an die fast nackte Brust und sagte mit gespielter Überraschung: »Wie bitte, mein Typ ist gefragt?«
»Ich glaube, er ist schwul«, zischte Kelvin. »Nein, wirklich, Sherlock«, erwiderte Trix mit schneidendem Sarkasmus.
Robbie schüttelte Ashling feierlich die Hand und stürzte sich dann mit einem Seufzer auf ihre Handtasche. »Sehr Gucci! Ich glaube, ich erlebe gerade eine Fashion-Sekunde.«
Ashling gelang es tatsächlich zu arbeiten - was sie überraschte. Allerdings landeten auch keine schwierigen Aufgaben auf ihrem Schreibtisch. Und was entschiedenermaßen nicht auf ihrem Schreibtisch landete, weder zum Redigieren noch zum Korrigieren noch zum Eingeben, war der monatliche Artikel von Marcus Valentine.
Bei Büroschluss holte ihre Mutter sie von der Arbeit ab und erlaubte ihr, sich zu Hause sofort ins Bett zu legen.
Auch am Dienstag schaffte sie es, nachdem ihre Mutter ihr endlos zugeredet und sie ermutigt hatte, aufzustehen und zur Arbeit zu gehen. Ebenso am Mittwoch und am Donnerstag.
Am Freitag fuhr Monica nach Cork zurück. »Ich sollte besser fahren. Dein Vater hat wahrscheinlich das Haus in Brand gesteckt. Also, nimm schön deine Tabletten - es macht nichts, wenn dir davon schwindlig oder übel wird -, dann kümmer dich um eine Beratung, und du wirst schon sehen!«
»Ist in Ordnung.« Ashling ging zur Arbeit und hatte das Gefühl, ganz gut zurechtzukommen, als gegen Mittag Dylan ins Büro kam. Sofort nahm das Gefühl der Übelkeit zu. Er hatte bestimmt Neuigkeiten für sie. Neuigkeiten, nach denen sie hungerte, die ihr aber auch Schmerzen zufügen würden.
»Hast du Zeit, mit mir zum Lunch zu gehen?«, fragte er. Sein Eintritt erregte die Gemüter in der Redaktion. Diejenigen, die Marcus Valentine nicht kannten, fragten sich gegenseitig stumm: Ist er das? Waren sie im Begriff, einer leidenschaftlichen Versöhnung beizuwohnen? Es gab also einige Enttäuschung, als die besser Informierten stumm zurücksignalisierten: Nein, das ist der Ehemann der Freundin.
Als Ashling ihre Tasche holte, begegneten sich Dylans und Lisas Blicke - ein rascher Austausch zwischen zwei schönen Menschen.
Dylan sah verändert aus. Er war immer attraktiv gewesen, wenn auch eine Spur langweilig. Aber praktisch über Nacht hatte er eine glitzernde Härte gewonnen, eine verwegene Anziehung. Er legte eine Hand auf
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