Sushi Für Anfaenger
wie viele Tage es waren. Einhundertfünfundvierzig. Das Zählen ist leicht, wenn jemand den Neujahrstag für eine Trennung wählt.
Nicht, dass sie sich bemüht hätte, ihn zum Bleiben zu überreden. Dazu war sie zu stolz. Und zu pragmatisch, denn sie war zu dem Schluss gekommen, dass es keine Lösung für ihre Konflikte gab. In einigen Punkten wollte und konnte sie einfach nicht nachgeben.
Aber an diesem schrecklichen Morgen erinnerte sie sich nur an die guten Sachen, an die Anfangstage voller Hoffnung und aufkeimender Liebe.
Damals arbeitete sie bei Chic, und Oliver war Modefotograph. Modefotograph mit Zukunft. Mit elegant federnden Schritten und hüpfenden Dreadlocks kam er in ihr Büro, meistens hatte er eine riesige Fototasche über die kräftige Schulter gehängt. Selbst wenn er zu einem Termin mit der Chefredakteurin zu spät kam - dann besonders, um genau zu sein -, blieb er bei Lisa stehen, um mit ihr zu plaudern.
»Wie war New York?«, fragte sie einmal.
»Scheußlich. Ich find‘s furchtbar.«
»Wirklich?« Alle anderen fanden es toll, aber Oliver hielt sich nie an die gängige Meinung.
»Und hast du lauter Supermodels fotografiert, da drüben?«
»Na klar.«
»Ach ja? Dann erzähl doch mal, wie ist Naomi so?«
»Sehr locker und humorvoll.«
»Und Kate?«
»Oh, Kate ist was ganz Besonderes.«
Obwohl Lisa enttäuscht war, dass er ihr keine Insider-Geschichten über Wutausbrüche oder Heroinkonsum erzählte, war sie sehr beeindruckt von der Tatsache, dass er von niemandem beeindruckt war.
Noch bevor man ihn sah, wusste man, dass er im Büro war. Um ihn herum entstand immer Trubel - entweder beschwerte er sich, dass jemand seine Spesen nicht gezahlt hatte, oder er monierte, dass seine geliebten Fotos auf billigem Papier gedruckt worden waren, oder er plauderte einfach mit den Redaktionsmitgliedern und lachte laut.
Seine tiefe Stimme hätte schokoladenhaft verführerisch sein können, wäre sie nicht so überschwänglich gewesen. Wenn er lachte, drehten sich die Leute nach ihm um. Wenn sie nicht sowieso schon zu ihm hinsahen. Die Schönheit seines großen, kräftigen Körpers, so seltsam gepaart mit der Geschmeidigkeit seiner Bewegungen, konnte einem den Kopf verdrehen.
Wenn er ins Büro kam, betrachtete Lisa ihn diskret. »Schwarz« war das falsche Wort, dachte sie dann. Es war viel komplizierter und subtiler. Alles war so glänzend - seine Haut, seine Zähne, sein Haar. Ganz abgesehen von dem Schweiß auf der Stirn der Chefredakteurin. Worüber würde Oliver sich heute beschweren?
Obwohl er noch dabei war, sich einen Namen zu machen, war er ehrlich, eigensinnig und schwierig. Er machte sich nirgendwo lieb Kind, und wenn er sich über jemanden ärgerte, zeigte er das. Neben seiner Schönheit war es sein Selbstbewusstsein, das in Lisa den Entschluss reifen ließ, ihn zu erobern. Dass er ein aufsteigender Star war, musste dabei natürlich kein Hindernis sein.
Seit sie angefangen hatte, mit Jungen zu gehen, hatte sie sich immer von strategischen Überlegungen lenken lassen. Sie war einfach nicht eins der Mädchen, die mit einem Versicherungsangestellten ausging. Allerdings war sie auch nicht nur berechnend. Sie war nie mit einem gut situierten Mann ausgegangen, den sie nicht mochte. Oder doch nur selten. Aber sie musste zugeben, dass es Männer gab, die sie anmachten, die sie aber niemals ernst nehmen könnte: ein reizender, ernster Justizangestellter namens Frederick, und dann Dave, der süßeste Klempner überhaupt, und besonders ungeeignet - ein aufregender Kleinkrimineller, der sich Baz nannte. (Das war der Name, den er Lisa sagte, aber es gab keine Garantie, dass es sein richtiger war.)
Gelegentlich gönnte sie sich einen kleinen Genuss und ließ sich mit einem dieser hinreißenden Hoffnungslosen ein, aber nie beging sie den Fehler zu denken, die Sache könnte Zukunft haben. Sie waren wie Milky Ways auf zwei Beinen - Männer, die man zwischen zwei Mahlzeiten vernaschen konnte, ohne sich den Appetit zu verderben.
Ihre richtigen Beziehungen hatte sie mit Männern anderen Kalibers. Mit einem dynamischen leitenden Angestellten bei einer Zeitschrift, dem sie ihren ersten Job bei Sweet Sixteen verdankte. Mit einem Schriftsteller, der zu der Gruppe der Zornigen Jungen Männer gehörte und sie böse sitzenließ, woraufhin sie dafür sorgte, dass seine Romane fortan vernichtende Besprechungen bekamen. (Was ihn noch zorniger machte.) Mit einem umstrittenen Musikjournalisten, dem sie verfallen war,
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