Sushi Für Anfaenger
warf einen ängstlichen Blick auf den Geschenkekoffer.
»Kommt drauf an, was drin ist«, sagte Lisa mit schmalen Lippen. Im Moment war ihr nämlich wieder eingefallen, warum sie gern allein arbeitete. Wenn man zu zweit war, musste man Dinge teilen: Make-up, Lob, was immer.
Als Lisa den Arztkoffer öffnete, sagte sie: »Du kannst den Lidschatten haben. He, der ist schimmerhaft!«
Aber er hatte auch eine merkwürdige bräunliche Farbe, die sie beide nicht tragen würden.
»Und das Lipgloss für das Jochbein kannst du auch haben. Ich behalte die Creme fürs Dekolleté und den Lidstrich.«
»Und was ist mit dem Lippenstift?«, fragte Ashling mit einem verlangenden Blick darauf. Der Lippenstift war der eigentliche Preis, er hatte einen sehr schönen gedämpften Braunton mit einem matten Glanz.
»Den kriege ich«, sagte Lisa. »Ich bin schließlich der Boss.«
Als ob wir das nicht wüssten , dachte Ashling ärgerlich.
26
Am Dienstagabend ging Ashling zu ihrem Salsa-Kurs. Wie schon in der Woche davor kamen auf etwa zehn Frauen ein Mann. Ashling musste mit einer Frau tanzen, die sie fragte, ob Ashling oft herkomme.
»Das ist die erste Stunde«, erinnerte Ashling sie.
»Ach, natürlich, das hatte ich vergessen. Aber ist es nicht schön, ein Hobby zu haben?«
Nach der Stunde eilte Ashling erhitzt und mit roten Wangen nach Hause, um den Anrufbeantworter abzuhören, doch kaum hatte sie die Wohnung betreten, sah sie schon das traurige, blinklose rote Licht. Na gut, blieb noch Mittwochabend - es war noch nicht alles verloren.
Während sie die Küchenschränke nach etwas Essbarem durchstöberte, überlegte sie fieberhaft, ob Marcus ihre Telefonnummer verloren haben könnte. Aber nein. Er hatte sie sich tief in die Tasche gesteckt und gesagt, er würde sie nahe an seinem Herzen aufbewahren. Außerdem war es das zweite Mal gewesen, dass sie ihm ihre Telefonnummer gegeben hatte, was die Chancen, dass er sie verlor, verringerte.
Sie betrachtete ihre Ausbeute: Eine halbe Tüte etwas mürber Tortilla-Chips, eine Packung schwarzer Oliven, vier nicht mehr besonders knusprige Hob-Nob-Kekse, eine eingedellte Dose Ananas, acht Scheiben altes Brot. Ein mageres Ergebnis, morgen würde sie einkaufen gehen müssen.
Sie hatte Heißhunger auf etwas Warmes und schob zwei Scheiben Brot in den Toaster. Während sie wartete, überkam sie ein Gefühl der Frustration und Ohnmacht wegen Marcus. Weil er ein Loch in ihr Leben gerissen und der Hoffnung eine Bresche geschlagen hatte. Sie war zufrieden gewesen, bis er anfing, sie zu belästigen.
Und warum belästigte er sie eigentlich? Nachdem sie ihn auf der Bühne gesehen hatte, betrachtete sie ihn mit anderen Augen. Plötzlich war Marcus Valentine nicht mehr völlig indiskutabel und unmöglich, sondern ein erstrebenswertes Objekt, und sie war sich nicht sicher, ob sie seiner wert war.
Sie hatte eine Scheibe Toast halb verzehrt, als das Telefon klingelte, was einen enormen Adrenalin-Ausstoß verursachte. Sie wischte sich die buttrigen Krümel vom Mund, hechtete zum Telefon und nahm den Hörer ab. »Hallo?«, sagte sie in atemloser Erwartung. Die sofort verpuffte. »Ah, Clodagh, hallo.«
»Bist du zu Hause?«, fragte Clodagh.
»Ehm, was glaubst du wohl?«
»Entschuldigung. Ich meine, kann ich vorbeikommen?«
O nein. Ashlings Stimmung sank auf den Tiefpunkt. Sie sah Schwierigkeiten auf sich zukommen. Das Vorhaben, ihre Eltern anzurufen, verschob sie; es war zu viel, sie ertrug das alles nicht. »Natürlich kannst du vorbeikommen«, versicherte sie Clodagh. »Ich bleibe zu Hause.«
»Ich geh mal auf ein Stündchen zu Ashling«, rief Clodagh Dylan zu, der in dem halb tapezierten Wohnzimmer vor dem Fernseher saß.
»Wieso?«, fragte er überrascht. Es war ganz ungewöhnlich: Clodagh ging abends nur selten aus. Und nie ohne ihn.
Doch bevor er ihr weitere Fragen steilen konnte, hatte sie schon die Tür hinter sich zugeschlagen und setzte den Nissan Micra rückwärts aus der Einfahrt auf die Straße.
»Ich muss mit dir sprechen«, verkündete Clodagh, als Ashling sie in die Wohnung ließ.
»Das dachte ich mir schon«, sagte Ashling verhalten.
»Und ich möchte, dass du mir einen Gefallen tust.«
»Ich werde es versuchen.«
»He, weißt du, dass da ein Obdachloser vor deinem Haus sitzt?«, fragte Clodagh und wechselte abrupt das Thema. »Er hat hallo zu mir gesagt.«
»Das ist wahrscheinlich Boo«, sagte Ashling lässig. »Jung, braune Haare, lächelt?«
»Ja, schon...« Clodagh wusste
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