Sushi und Kartoffelbrei Ticktack
Agentur konnte man es sich kaum leisten, nicht an den Apparat zu gehen, denn es könnte ja der lang ersehnte Durchbruch sein. Nicole Kidman zum Beispiel, die anläutete, um zu fragen, ob Daisy sie nicht vertreten wollte.
Leider jedoch war es nur die heisere Stimme von Lilli
Hammer, eine ihrer ältesten und, wie sie bei sich oft dachte, anstrengendsten Klientinnen.
»Schätzchen«, krächzte Lilli mit ihrem Raucherbass, »tut mir Leid, Sie zu Hause stören zu müssen – aber als ich in Ihrem Büro anrief, hat mir dieses Herzchen von Sekretärin mitgeteilt, dass Sie sich heute freigenommen hätten. Mitten in der Woche? Höchst eigenartig. Ich habe zu ihr gesagt, ich finde, Sie schauen schon seit einer Weile ein bisschen angeschlagen aus.«
»Mit mir ist alles in Ordnung, Lilli. Ich hatte nur einfach hier ein paar Dinge zu erledigen«, erklärte Daisy und ließ sich auf die Couch sinken. »Kann ich irgendwas für Sie tun?«
»Schätzchen, sicher können Sie was für mich tun. Dafür sind Sie schließlich da, nicht wahr? Ich wollte wissen, was es Neues in Bezug auf mein Fünfzigstes gibt.«
»Ach ja!« Daisy klang nicht allzu begeistert. »Ihr Fünfzigstes …«
Womit natürlich nicht Lillis Geburtstag gemeint war – sie zählte beträchtlich mehr Jahre als fünfzig. Ursprünglich aus Osteuropa stammend, tat sie gerne so, als käme sie aus dem schickeren Skandinavien – daher auch der Künstlername. Das Schicksal hatte sie in jungen Jahren nach Australien verschlagen, wo sie in den Dreißiger- und Vierzigerjahren mit einigem Erfolg in Vaudeville-Shows aufgetreten war. Danach ging es mit ihrer Karriere jedoch unaufhaltsam bergab. Zunächst bekam sie noch Sprechrollen in Radiohörspielen und hatte vereinzelte Werbeauftritte, doch nun musste sie sich schon glücklich schätzen, wenn sie bei der Aufzeichnung einer Fernseh-Comedysendung im Publikum sitzen durfte.
Als PR-Agentin der alten Dame fiel Daisy die wenig beneidenswerte Aufgabe zu, Zeitschriftenredakteure davon zu überzeugen, dass ein Artikel über ihren verfetteten, ältlichen
Vaudevillestar mit dem flammendroten Haar und der peinlichen Neigung, sich ausführlich über die eigenen Wehwehchen und Zipperlein zu ergehen, eine aussichtsreiche Angelegenheit wäre. Lilli konnte einfach nicht begreifen, warum Daisy damit so schwer vorankam. Doch da keine andere Promotionsagentur ein Interesse an ihr und ihrem bescheidenen kleinen Einkommen zeigte, war Lilly großzügig bereit, es auch weiterhin bei Daisy Change Promotions auszuhalten.
»Ihr Fünfzigstes …«, wiederholte Daisy zerstreut.
»Also, ich denke da an Auftritte in Talkshows und im Radio und natürlich in ›Das war ihr Leben‹«, erklärte Lilly. Eine kleine Pause trat ein und Daisy hörte das Klicken eines Feuerzeugs, dann den tiefen Atemzug, mit dem Lilly den Rauch in ihre Lungen sog. »Kommt schließlich nicht jeden Tag vor, dass jemand in diesem Land eine fünfzigjährige Bühnenkarriere aufzuweisen hat«, fuhr sie heiser fort. »Besonders nicht mit meinen chronischen Rückenproblemen. Elizabeth Taylor ist dagegen eine rumänische Turnerin – glauben Sie mir! Ganz zu schweigen von meinen Steinen …« Lilli hatte eine Menge Steine, ein paar davon in Galle und Niere – die meisten jedoch an weit exotischeren Orten.
»Wir arbeiten daran«, sagte Daisy zögernd. Das Ansinnen, Begeisterung für Lillys neuestes Vorhaben, ihr bevorstehendes fünfzigjähriges Bühnenjubiläum, aufbringen zu müssen, machte sie schaudern. Und obwohl sie pflichtschuldigst eine Presseerklärung verfasst und an ihre üblichen Anlaufstellen geschickt hatte, war sie keineswegs überrascht gewesen, dass trotzdem jegliche Sonderbeiträge ausblieben. Allein die Vorstellung, wie Lilli in einer Talkshow saß und über die Kapriolen ihrer inneren Organe referierte, ließ jedem TV-Produzenten das Blut in den Adern gefrieren.
»Eine Rückmeldung kam immerhin«, versuchte Daisy ihrer Klientin Hoffnung zu machen. »Die Lokalzeitung zeigte
großes Interesse. Leider sind sie diese Woche ziemlich eingespannt mit einem Artikel über einen Zwergpudel, dessen beide Hinterbeine seit einem Unfall gelähmt sind und der jetzt mit einem kleinen Karren herumfährt – aber nächste Woche ließe sich vielleicht was machen.«
»Die Lokalzeitung?«, schnaubte Lilli. Sie war genauso empört, wie Daisy befürchtet hatte. Persönlich hielt Lilli sich mindestens für einen Artikel in der überregionalen Zeitung, wenn nicht gar im Hollywood Reporter
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