Sushi und Kartoffelbrei Ticktack
wert. »Ständig wollen Sie mich mit dem Lokalblatt abspeisen!«
Daisy unterdrückte einen Seufzer. »Seien Sie doch vernünftig, Lilli. Das ist vielleicht das Beste, was wir kriegen können. Und das Lokalblatt ist doch gar nicht so schlecht. Hat eine riesige Auflage. Wirklich ein enormer Leserkreis! Ehrlich.«
»Ehrlich, von wegen«, empörte Lilli sich. »Hier stehe ich und hab’s so auf den Bronchien … muss direkt aufpassen, dass mir beim Husten nicht die halbe Lunge rausfällt. Ich bin eine kranke Frau. Und da sagen Sie mir, dass ich mich hinter einem Pudel anstellen soll. Merken Sie sich eins, junge Dame: Immerhin bezahle ich Sie.«
Ja, dachte Daisy, aber nicht so viel, dass es für all den Kaffee reicht, den du bei jedem Besuch hier konsumierst, ganz zu schweigen von den ständigen Telefonaten. Andererseits war Lilli ihre Klientin, seit sie vor fünf Jahren ihr Büro eröffnet hatte, und sie konnte das alte Schlachtross nicht einfach so im Stich lassen. Sie mochte einen Ton am Leib haben wie ein Feldwebel; doch wusste Daisy, dass unter der rauen Schale nur ein ehemaliges Starlet steckte, das mit den Schwierigkeiten und Enttäuschungen eines Lebens in der Unterhaltungsindustrie eines kleinen Kontinents rang. Und das war Daisys Problem: Sie hatte solches Mitleid mit ihren Klienten und deren tapferem, unermüdlichem Kampf, nicht den Glauben an sich selbst zu verlieren.
»Schauen Sie, wir tun, was wir können. Ich würde das Angebot der Lokalzeitung annehmen, weil ich’s für eine große Chance halte, zumindest in unserer Gegend, und natürlich bemühen wir uns auch weiterhin nach Kräften, mehr für Sie zu finden«, erklärte sie.
»Das will ich auch hoffen«, meinte Lilli Unheil verkündend. »Ansonsten, Schätzchen, könnte es sein, dass ich mir eine andere Agentur suche. Mal sehen, was Sie dann machen!«
Durchsage over! Daisy, die es schon gewohnt war, dass ihre Telefonate mit Lilli auf diese Weise endeten, legte ebenfalls auf. Unruhig durchmaß sie das Wohnzimmer, schaltete dann den Fernseher ein und nahm ihr Buch zur Hand, einen Krimi aus der Bücherei. Die Frühnachrichten liefen und gerade kam ein Bericht über In-Vitro-Fertilisation, künstliche Befruchtung, ein Thema, bei dem Daisy normalerweise sofort wieder abgeschaltet hätte.
Natürlich interessierte sie das Thema ›Empfängnis‹, sehr sogar, vor allem seit den letzten drei Jahren; doch hatte sie das, was sich die Schulmedizin unter ›Hilfe‹ vorstellte, immer abgelehnt. Ihrer Meinung nach waren deren Methoden nicht nur beschwerlich und teuer, sondern obendrein ineffektiv. Und das bloß, damit sich irgend so ein ›Halbgott in Weiß‹ – wohlgemerkt meist männlichen Geschlechts – vorgaukeln konnte, er greife tatsächlich in den Schöpfungsprozess ein und erschaffe neues Leben. Das war es wohl, was die Psychologen unter ›Gebärneid‹ verstanden …
Also waren sie und Tom wohl oder übel bei der herkömmlichen Methode geblieben. Aber nach einer Weile machte der Sex keinen Spaß mehr, weil Daisy es entweder sinnlos fand – in den nicht fruchtbaren Tagen – oder sie machte hinterher eine halbe Stunde lang die Kerze, damit das Sperma leichter durch ihre Eileiter fließen konnte.
Vor ungefähr einem Jahr begann sie dann, den verschlungenen
Pfad der ›alternativen Methoden‹ zu erkunden. Tom nannte das liebevoll ›wieder eine deiner verrückten Ideen‹. Was immer ihr zu Ohren kam, sie probierte es – chinesische Kräutermedizin, Akupunktur, widerwärtige Kräutertees, Yoga, Reiki, Rolfing, Trennkost, eiweißloses Essen … Sie hatten Sex am Morgen, weil Daisy gelesen hatte, dass das wirkungsvoller sei. Dann probierten sie es um vier Uhr nachmittags, weil irgendein Arzt behauptete, dies wäre die fruchtbarste Stunde. Schließlich übten sie bereits Tage vor Daisys Eisprung Enthaltsamkeit, damit Toms Sperma ein wenig mehr Aggressivität entwickelte. Sie hatten Sex im Stehen, seitlich im Liegen und kopfüber – so weit sie dies zustande brachten. Ja, Daisy erwarb sogar ein paar ›Fruchtbarkeitskristalle‹, die sie vor, während und auch einige Zeit nach dem Verkehr auf ihrem Bauch balancieren musste – gar nicht so einfach, vor allem wenn man, wie es ihr und Tom ging, dabei die ganze Zeit lachte.
Tom machte die meiste Zeit über gute Miene zum bösen Spiel. Und im Allgemeinen war Daisy ihm auch dankbar dafür – immerhin ließ er sie gewähren und meckerte nicht einmal, wenn sie dafür tiefer ins Geldsäckel griff. Aber
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