Sushi und Kartoffelbrei Ticktack
sprudelnd wie Champagner.
Diese dürre, ausgezehrte Frau mit dem obsessiven Sexualleben hatte mit jener lebensfrohen Doris nichts mehr gemein. Daisy wusste, dass die Freundin vollkommen am Boden zerstört gewesen war, als Nick sie verließ, und dass sich hinter ihren Witzen und ironischen Bemerkungen tiefe Einsamkeit verbarg. Aber wie brachte man jemanden dazu, aufzuwachen,
der wild entschlossen war, sich wie betäubt dahintreiben zu lassen?
»Doris«, flehte sie und versuchte, so viel Ernst wie sie nur konnte in ihre Stimme zu legen. »Du musst damit aufhören. Das wird noch böse enden. Schlimmer als jetzt. Bitte, bitte, hör auf damit.«
»Als Nächstes fragst du mich noch, warum ich das alles veranstalte.«
»Ja, und ich versteh’s nicht. Carmen auch nicht. Glücklich macht es dich ja nicht. Und uns bringt’s zur Verzweiflung.«
Doris stieß ein abgehacktes Lachen aus. »Daisy, andauernd faselst du vom Glücklichsein. Als wäre das Leben ein nettes kleines Enid-Blyton-Picknick, von dem wir alle beschwingt und zufrieden heimkommen, herrlich voll gepumpt von all der Limo und dem Spaß. Es geht nicht darum, glücklich zu sein, sondern darum, das zu tun, was man will. Und im Moment befriedigt mich eben mein Dasein.«
»Aber was befriedigt es? Erklär’s mir doch«, fuhr Daisy zornig auf.
»Kann ich nicht.« Doris riss sich los und ging weiter. »Alles, was ich weiß ist, wenn ich damit aufhöre, dann fange ich an, über alles nachzudenken – über Nick, meinen saublöden Job, meine saublöde Mischpoche, meine saublöde Zukunft. Und ich will nicht daran denken. Ich will – frei sein, ungebunden. Verstehst du? Lieber ein blaues Auge, als irgendwo festzusitzen. Wenigstens ist mein Leben aufregend.«
»Eher erschreckend, würde ich sagen.«
Doris zuckte die Schultern. »Egal. Hast du Carmen in letzter Zeit gesehen? Ich bin ja vielleicht nicht mit dem einverstanden, was sie tut – aber du musst zugeben, dass sie einfach toll aussieht. Auch wenn sie’s noch nicht mit dem rasanten Tierarzt getrieben hat, sieht sie auf einmal zehn Jahre jünger aus. Und was sagt dir das? Du hast die Wahl: Entweder
du verwelkst oder riskierst was. Wer kann garantieren, was am Ende das Sicherste ist?«
Daisy folgte ihrer Freundin und musste sich dabei widerwillig eingestehen, dass Doris Recht hatte, was Carmen anging. Carmen sah wirklich umwerfend aus, lebendiger, vitaler als seit Jahren. Daisy fragte sich, wann sie letztes Mal so gut ausgesehen hatte. Vielleicht am ersten Tag von Daisy Change Promotions , als sie all ihren Klienten – nun gut, es waren bloß zwei – französischen Champagner eingeschenkt hatte. Oder vor ein paar Jahren, als sie glaubte, sie würde auf mysteriöse Weise zunehmen, und dann herausfand, dass in Wirklichkeit die Badezimmerwaage nicht mehr richtig funktionierte. Die überwältigende Erleichterung, die sie damals empfand, hatte sie noch tagelang wie auf Wolken schweben lassen. Wenn man dieses Gefühl doch bloß einfangen und festhalten könnte, dachte sie. Aber sagte man nicht, das Glück wäre wie ein Schmetterling: Je mehr man versuchte, ihn festzuhalten, desto schneller starb er? Andererseits hätte sie wetten können, dass jemand wie Mrs. Bill Gates verdammt glücklich sein musste. Sie besaß vierundzwanzig Badezimmer, körbeweise Geld und zwei, oder waren es drei? wunderhübsche Kinder – vorausgesetzt, sie schlugen der Mutter nach. Also traf es doch einige sozusagen aus heiterem Himmel.
»Daisy, träumst du?« Doris stand auf der Schwelle einer recht teuer aussehenden Boutique. »Wach auf und lass uns zuschlagen!«
Während der nächsten Stunde beobachtete Daisy mit wachsendem Entsetzen, wie Doris nur so mit Geld um sich warf – beziehungsweise mit ihren Kreditkarten. Wie sie mit der kaltschnäuzigen Gründlichkeit einer Expertin Regale und Ständer leer fegte. Am Ende stöhnten sie unter der Last von Tüten voller Schuhe, Seidenschals und Kleider, ohne die sie meinte, nicht leben zu können.
»Als hättest du nicht schon genug schwarze Klamotten«, lautete Daisys trockener Kommentar.
»So was wie genug gibt’s gar nicht. Hat nicht die Herzogin von Windsor gesagt, man kann nie zu dünn sein oder zu viel Schwarz tragen?«
»Zu reich, glaube ich.«
»Das ist die Wahl der Frau von heute. Du kannst entweder dünn und reich sein oder dünn und chic. Nicht viele schaffen beides.«
Sie nahmen sich ein Taxi zurück zu Doris’ Wohnung, weil Daisy sich schlichtweg weigerte, sich als
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