Sushi und Kartoffelbrei Ticktack
noch so zu sehen, wenn der eine was ganz anderes will als der Partner. Manchmal kommt’s mir eher vor wie zwei Menschen, die sich in eine Doppelzelle haben einschließen lassen, nur um sich für den Rest ihres Lebens zu kloppen. Wer übernimmt den Hausputz? Wer entscheidet, wo man wohnt? Wessen Beruf hat Vorrang? Wessen Verwandte werden öfter besucht?«
»Ach, das ist dieser Emanzipationskram«, höhnte Lilli und stellte die Teller zusammen. »Solche Probleme hatten wir nie, mein Stephan und ich. Wir wussten, was Sache war. Manche meinen, den Frauen wäre was vorenthalten worden
– aber ich behaupte, sie sind nur vom Regen in die Traufe geraten. Kann sein, dass sein Beruf wichtiger war, aber er brachte ja auch die Brötchen nach Hause, das wurde von ihm erwartet. Heutzutage sind die Kinder von morgens bis abends in irgendwelchen Krippen oder Tagesstätten, und die Frauen laufen herum wie wandelnde Leichen, weil sie Geld verdienen wollen und den Haushalt trotzdem noch machen müssen. Auf Kosten ihrer Gesundheit und ihres Aussehens, wie ich hinzufügen möchte. Da haben Sie also die so genannte Emanzipation.«
»Aber es ist jetzt gerechter«, wandte Daisy ein. »Die Ehe ist jetzt mehr eine Partnerschaft zwischen Gleichberechtigten.«
Lilli verzog das Gesicht. »Dann müssen Sie sich mit dauernden Verhandlungen abfinden. Oder dem Kloppen, wie Sie’s nennen. Wozu sich beklagen?«
»Wie auch immer«, meinte Daisy, »ich weiß, dass Sie Ihren Beruf nie aufgegeben haben – nicht mal, als Sie verheiratet waren. Also haben Sie nichts verloren.«
»Das stimmt«, rief Lilli hochtrabend aus. »Aber es war ja nicht nur ein Beruf. Es war eine Berufung – und Stephan hat das verstanden.«
Sie brachte die Teller in die Küche und tauchte mit zwei Tassen bitterem schwarzem Kaffee wieder auf.
»Aber der Punkt ist doch«, fuhr sie fort, »es hat gar keinen Sinn, mit einer Schlechtwettermiene rumzulaufen. Wenn Sie mal so alt sind wie ich, dann wissen Sie, dass man sich von Schlechtwettermienen nichts kaufen kann. Oder vom ewigen Streiten, wer nun Recht hat und wer Unrecht. Unser Leben ist doch nur so kurz … plötzlich seid ihr beide tot.«
Daisy dachte kurz über diese ermutigende Aussicht nach, war sich aber nicht sicher, ob das nun hieß, dass sie bei Tom bleiben oder ihn verlassen sollte. Wenn sie wirklich so täte,
als könnte sie jeden Augenblick den Löffel abgeben – viel zu früh, wie der arme Stephan -, sollte sie sich dann nicht schleunigst eine neue Liebe suchen, solange noch Zeit blieb? Oder sollte sie beim guten, alten, zuverlässigen Tom bleiben, dem Mann, mit dem sie bereits fast ein Drittel ihres Lebens verbrachte? Wie auch immer, es war was dran an Lillis Philosophie. Wenn man schon lebte, warum dann nicht glücklich? Es gab bestimmt keine Extrapreise im Jenseits dafür, dass man im Diesseits mürrisch und pessimistisch gewesen war.
Lilli lehnte sich zurück und klopfte mit einer geschwollenen Hand, deren Fingerknöchel von der Arthritis ganz dick waren, auf den Tisch. »Und jetzt wieder zurück zum Geschäft. Mein Jubiläumsjahr. Hoffentlich war das hier nur der Anfang. Und habe ich Ihnen schon gesagt, dass ich neuerdings meine Memoiren schreibe?«
»Ach tatsächlich? Da haben Sie ganz schön was vor«, sagte Daisy und wurde, wie so oft, vom Klingeln ihres Handys gerettet.
»Entschuldigen Sie mich.« Sie durchwühlte ihre große Tasche, bis sie das verflixte Ding schließlich in der untersten Ecke fand. Manchmal hatte sie das Gefühl, dass sie diese Geräte mit einer Art Versteckmechanismus programmierten.
Der Anruf kam von Doris, die wissen wollte, ob es bei ihrem Einkaufsbummel für heute blieb.
»Hilfe, Doris! Das habe ich total verschwitzt. Ich bin jetzt gerade draußen in Baulkham Hills.«
»Du hast versprochen, mit mir einkaufen zu gehen, Menschenskind! Und lass dir eins sagen: Ich brauch’ ganz dringend einen Einkaufsbummel.«
Ein Zittern lag in ihrer Stimme, das Daisy sofort alarmierte. »Alles in Ordnung mit dir?«
»Das wird es sein, sobald ich meine Kreditkarte gezückt
habe. Und jetzt beweg deinen Hintern zu mir rüber, Schwester!«
»Soll ich zu dir ins Geschäft kommen?«
»Nein, ich bin daheim.«
»Daheim? Aber du …« Daisy hielt inne. »Okay, schon unterwegs!«
»Danke, Daisy … bist’ne echte Freundin.«
Einen Notfall im Büro vorschiebend, verabschiedete sich Daisy hastig von Lilli und hinterließ dann Teagan noch eine Nachricht, dass sie leider erst später ins
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