Sushi und Kartoffelbrei Ticktack
›Modeschmuck auf dem Vormarsch‹ zu geben.«
Clare zog eine Grimasse. »Hätte ich mir denken können.« Sie erhob sich rasch und begann, ihr Notizbuch und ihre Papiere zusammenzusammeln. »Komm, gehen wir gemeinsam zur Konferenz.«
An jedem Donnerstag um die Lunchzeit traf sich laut Dekret des Colonels die gesamte Crew zu einer Redaktionskonferenz. Sie wolle damit einen Überblick über die jeweiligen Arbeiten ihrer Leute behalten, meinte sie, sowie allen die Chance zu einem kollegialen Feedback geben. Das stärke den Zusammenhalt in der Mannschaft. Clare jedoch sah den Zweck dieser Zusammenkünfte eher darin, dem Colonel die Gelegenheit zu geben, ihre Mitarbeiter öffentlich abzukanzeln und dafür zu sorgen, dass niemand aus der Reihe tanzte.
Fiona saß bereits am großen Tisch im Konferenzraum und unterhielt sich mit Veronica, die für die Redaktion Kunst und Kultur zuständig war. Veronica war eine große, kühle Blondine, die Grace Kelly Konkurrenz hätte machen können, wenn
ihre Eltern das Geld gehabt hätten, um ihr hervorstehendes Kinn korrigieren zu lassen. Daneben saß die zweite Vollzeitschreiberin und Journalistin, Michele, die noch immer ein niedliches Gesichtchen hatte und trotz einer sechsjährigen Tätigkeit bei Verve ihre Schwäche für Laura-Ashley-Kleider nicht losgeworden war.
»Ah, da kommen ja die restlichen Gladiatoren ins Colosseum«, begrüßte Fiona Clare und William. Es war ein alter Scherz zwischen den dreien.
William blieb kurz stehen, um Gina, der Chefsekretärin die Tür aufzuhalten. Gina war unweigerlich die am besten und am teuersten gekleidete Frau im ganzen Büro. Heute trug sie ein cremeweißes Kostüm mit einem Nehru-Kragen, und Clare beäugte sie neidisch. Wenn sie ein solches Ensemble anzöge, dann wäre es zerknittert und voller Kaffee- und Fettflecken, noch bevor sie das Büro erreicht hätte, soviel war sicher. Gina dagegen sah aus, als wäre sie soeben aus der Umkleidekabine einer sündteuren exklusiven Boutique getreten.
»Sandwiches und Kaffee«, verkündete sie schmetternd und stellte das Tablett, das sie mit hereingebracht hatte, geräuschvoll auf dem großen Tisch ab.
Alles machte sich eifrig über die Sachen her. Auf Redaktionskonferenzen bestand immer eine hohe Nachfrage nach Koffein.
Als Letzte betrat Robin den Konferenzraum, die Modefee des Hochglanzmagazins. Und wie eine Fee sah sie auch aus, ein kleines, zierliches Persönchen, das nie viel redete und wenn, dann nur über Entwürfe und Fotos, sodass jedermann den Eindruck gewann, dass es außer ihrer Arbeit nichts für sie gab. Dann jedoch überraschte sie alle damit, dass sie im Alter von vierzig verkündete, heiraten zu wollen. Und ein Jahr darauf war sie im siebten Monat schwanger und stellte ihren anschwellenden Bauch stolz in schwarzen Lycrakleidern zur Schau.
Clare beobachtete die wachsende Kugel mit ebenso wachsender Faszination. Isobel hatte ihre jeweiligen Schwangerschaften unter weiten Männerhemden und Umstandskleidern versteckt, doch Robin trug ihren Bauch wie ein Banner vor sich her. Um ehrlich zu sein, verursachte es Clare ein wenig Unbehagen. Sie konnte sich beim besten Willen nicht vorstellen, dass ihr Bauch einmal solche Proportionen erreichen könnte. Sie hatte sogar ein paar Mal gesehen, wie es sich in Robins Bauch regte. Nun, das war für Clares Geschmack alles etwas zu … fremdartig, und sie konnte insgeheim ein kleines Schaudern nicht ganz unterdrücken.
Während sie gelangweilt Gänseblümchen in ihr Notizbuch kritzelte, beugte sich William zu ihr und murmelte: »Hast du die ›Liebe-Marion‹ – Antworten? Helen wollte die Entwürfe heute früh auf dem Schreibtisch haben, um zu prüfen, ob du den richtigen Ton getroffen hast.«
»Verflixt«, flüsterte Clare zurück. »Ich hab sie gestern Abend noch gemacht, aber vergessen, sie auszudrucken. Sie sind noch auf dem Laptop gespeichert. Ich geh rasch und drucke sie aus. Bin in zwei Sekunden wieder da. Ich hab sie noch nicht überprüft, aber sie schreibt ja sowieso alles um, also was soll’s?«
William warf einen ängstlichen Blick auf seine Uhr. »Du beeilst dich besser.«
Es war wohl bekannt, dass der Colonel den Konferenzraum erst betrat, wenn alle anderen, Notizbücher und Kaffeetassen vor sich, bereits versammelt waren. Clare und Fiona zerbrachen sich öfter den Kopf darüber, wie sie das schaffte – vielleicht hatte Gina ja einen versteckten Knopf unter dem Tisch, mit dem sie ihrer Chefin den rechten Zeitpunkt
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