Sushi und Kartoffelbrei Ticktack
sie sogar ein paar Mal abends mit Willi auf einen Drink gegangen, hatte sich dann jedoch gezwungen gesehen, ihm sanft zu signalisieren, dass sie an mehr nicht interessiert war.
Das tat sie, reichlich clever, wie sie fand, indem sie sich selbst rote Rosen ins Büro schickte, Andeutungen über heimliche romantische Wochenenden fallen ließ und ihm erklärte, dass sie nicht mit zum Dinner gehen könne, weil sie zur Zeit einen Abendkurs besuchte, in dem sie lernte, wie man ein romantisches Gourmet-Frühstück für zwei zubereitete. Er kapierte recht schnell, obwohl sie vermutete, dass er ihr insgeheim noch immer ein bisschen nachtrauerte.
Wirklich mysteriös war jedoch, wieso Will überhaupt bei einer Frauenzeitschrift arbeitete. Was der Colonel dabei im Sinn hatte, war klar. Sie suchte sich einen Mann als stellvertretenden Chefredakteur, weil dieser ihre Stellung als Chefin nie gefährden konnte. Nie würde ein Mann die Leitung des Hochglanzmagazins übernehmen können, damit wäre der Vorstand niemals einverstanden. Aber was Will hier für sich selbst zu suchen hatte, war eine ganz andere Frage.
Eines Abends, nach zahlreichen Drinks, hatte Will ihr einmal schüchtern gestanden, dass alles auf seine Mutter zurückzuführen war. (Was nicht, dachte sie säuerlich, während sie ihm zuhörte, wie er ihr über einem Glas Guinness das Herz ausschüttete.) Wills Vater hatte sich aus dem Staub gemacht, als Will noch ein kleines Klümpchen im Uterus seiner Mutter gewesen war, sodass er in einem rein weiblichen Umfeld aufwuchs, mit seiner Mutter, seiner Großmutter und einem Onkel, der wahrscheinlich zugegeben hätte, dass er schwul war, wenn er nicht solche Angst davor gehabt hätte, was Williams Großmutter ihrer aufrechten Baptistengemeinde flüstern würde.
William behauptete, einer der wenigen Männer zu sein, die
Frauen aufrichtig mochten. Sicher behaupteten die meisten Männer, dass sie Frauen mochten, aber laut William brauchte man bloß an der Oberfläche zu kratzen, und darunter kämen bittere Ressentiments über das andere Geschlecht zum Vorschein. Sie würden einem sagen, dass Weiber dauernd was zu meckern hätten, dass sie nachtragend wären und ihren Groll horteten wie Kamele das Wasser oder versuchten, ganz normale männliche Neigungen wie Furzen oder Biertrinken zu verbieten – so als wären sie nichts anderes als ein Trupp häuslicher Polizisten.
Aber nicht William, der alles an Frauen mochte. Einschließlich ihres phänomenalen Gedächtnisses und ihrer mentalen Ticks in Bezug auf Dinge wie Toilettendeckel, Zahnpastatuben und Leute, die mit offenem Mund rumschmatzten.
»Vielleicht bist du ja schwul«, hatte Clare überlegt, als er ihr das alles erzählte.
»Ich wünschte, ich wär’s«, hatte er traurig geantwortet und über seinem Glas Guinness ein unglückliches Gesicht gezogen. »Dann hätte ich zumindest die Chance, einen Partner fürs Leben zu finden. Jede Frau, die ich kennen lerne, hat eine Todesangst vor Verpflichtungen. Die Frauen heutzutage scheinen nicht mehr gewillt zu sein, ihre Optionen einzuschränken.«
»Oder es schreckt sie nur die Tatsache, dass du stellvertretender Chefredakteur einer Frauenzeitschrift bist. Das ist nicht gerade das, was man unter ›männlich‹ versteht«, meinte Clare vorsichtig.
»Ich fühle mich einfach wohl in einer rein weiblichen Umgebung«, erwiderte er. »Ich liebe den Geruch von Gesichtspuder und das fiese Getuschel über die Frisuren der Kolleginnen.«
»Unfair! Wir sind keine Hyänen, die einander in den Rücken fallen. Unser Arbeitsklima ist durchaus freundlich«, hatte Clare protestiert.
»War bloß ein Witz. Aber Tatsache ist, dass ich mich in so einer Umgebung wie zu Hause fühle. Plus, der Colonel wollte einen männlichen Stellvertreter, was bedeutete, dass ich die Karriereleiter viel schneller und weiter hochturnte als beispielsweise beim Time Magazine . Der Himmel weiß, was das für meine langfristige berufliche Zukunft bedeutet, aber das ist mir im Grunde egal. Im Moment macht mir der Job Riesenspaß, und ich verdiene eine Menge Geld damit.«
Sie wurde durch sein Klopfen auf den Schreibtisch in die Gegenwart zurückgerufen. »Hallo? Planet Verve an Clare?«, scherzte er. »Bist du noch bei uns?«
»Hab bloß wieder an die Story der beiden Schwestern gedacht«, sagte sie.
Er legte ein Blatt Papier auf ihren Schreibtisch. »Hier ist die korrigierte Fassung deiner Story über Kostümschmuck. Helen hat beschlossen, ihr den Titel
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