Sushi und Kartoffelbrei Ticktack
einigermaßen stolz auf ihre Scriptänderungen. Der Talkshow-Moderator hatte seinen Zuschauerinnen wahrscheinlich noch nie geraten, doch ihre fetten Ärsche vom Sofa zu erheben, wenn sie abnehmen wollten, die verdammte Glotze auszuschalten, zum Telefon zu gehen und ihr Kabelabo zu kündigen.
Danach dachte Clare, dass vielleicht in der Verlagsindustrie der richtige Platz für sie wäre, so lange jedenfalls, bis sie einen Job als Mädchen für alles bei einem kleinen Verlag gefunden und gemerkt hatte, dass es hier ebenfalls nur ums Marketing ging. Suche dir die Nische, suche dir einen Autor, stopfe das Loch mit dem entsprechenden Produkt.
So viel zu ihren Visionen von langen, köstlich amüsanten Lunches, bei denen »ihre»Autoren jeden Gang mit lauten Ausrufen würzten wie: »Aber ohne meine Lektorin Clare hätte ich das alles nie geschafft. Sie hat dieses Buch zu dem internationalen Bestseller gemacht, der er heute ist! Und sie hat ihren hübschen Bonus von 500.000 Dollar mehr als verdient!«
Erst kürzlich war ihr mit Schrecken klar geworden, dass sie dem »idealen Job« heute auch nicht näher war als mit einundzwanzig, als sie ihren Uniabschluss machte.
Nun, vielleicht gab es so etwas wie einen idealen Job ja gar nicht. Oder vielleicht bestand der ideale Job darin, Kinder zu bekommen, wie Isobell immer behauptete. »Du glaubst, du liebst deine Katze«, sagte Isobel ständig, »aber deine Kinder wirst du tausendmal mehr lieben.« Oder vielleicht, dachte Clare und biss zornig auf ihren Stift, war ihre Obsession mit dem Kinderkriegen lediglich eine Art, ihr berufliches Versagen zu verdrängen.
Ihren derzeitigen Job hatte Clare auf den Hinweis einer Freundin hin gefunden, die ihr erzählte, dass eine »Assistenzstelle« bei Verve frei wäre. Es stellte sich heraus, dass mit dieser »Assistenzstelle« gemeint war, den Leuten beim An- und Auskleiden für Fotoshoots mit so griffigen Titeln wie »Gut besohlte Fohlen« oder »Die neue Debütantin« zu helfen.
Nach Monaten kletterte Clare die Karriereleiter schließlich so hoch, dass der Colonel sie eigene Titelstorys schreiben ließ, oder besser gesagt, wie sie mit einigem Zynismus feststellte, die Entwürfe für Storys, die der Colonel dann mit kühner Hand umschrieb. Schließlich wusste niemand so gut wie der Colonel, was Suzanne lesen wollte.
Clare lag deswegen im Dauer-Clinch mit dem Colonel (was das Umschreiben betraf, nicht die Kompetenz des Colonels in Bezug auf die weibliche Leserschaft von Verve; Letzteres gestand ihr Clare neidlos zu). Aber Tatsache war nun mal, dass sie die Kreativität besaß. Dass eine verschrumpelte, herrische alte Schachtel ihre sorgfältig erstellten Storys zerriss, machte sie fuchsteufelswild.
Fiona musste sie andauernd ins Café im Erdgeschoss des Gebäudes zu einem Eistee zerren, um sie wieder ein wenig zu beruhigen. »Schau, nächste Woche landet die Zeitschrift ohnehin als Unterlage in irgendeinem Vogelkäfig«, sagte Fiona in solchen Situationen. »Es ist sinnlos, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, wie deine Story am Ende aussieht oder welche Jobs dir zugeteilt werden.«
»Ach, das weiß ich doch«, brummte Clare dann. »Aber das ändert nichts an der Tatsache, dass die Story unter meinem Namen erscheint. Da sollte es schließlich auch meine Arbeit sein. Es macht mich einfach verrückt, wenn das alte Knochengestell einfach alles umfummelt. Und obendrein noch Bemerkungen macht wie ›Viele Hände schaffen die rechten Worte‹. Ich kapier nicht, wieso sie nicht gleich alles selbst schreibt.«
»Weil Suzanne es liebt, sich ein Büro voll gut gekleideter Damen mit den neuesten Lippenstiften der Saison vorzustellen, die mit zierlichen, frisch manikürten Fingerchen auf ihre Laptops einhacken«, erklärte Fiona. »Der Colonel hat uns nur angestellt, um sich dieser Fantasie hingeben zu können.«
Es war wirklich eine Fantasie, dachte Clare, als sie sich jetzt umblickte und all die Prêt-à-Porter-Kostüme musterte. Sie lehnte sich in ihrem Bürostuhl zurück und schloss einen Moment lang die Augen vor dem grünen Flimmern des Computerbildschirms und dem kalten, grellen Licht der Leuchtstoffröhren.
Sicher, der Tag hatte ziemlich schlecht angefangen. Als sie nach der Brunch-Veranstaltung ins Büro zurückgekehrt waren, hatte sie gleich ihren Anrufbeantworter gecheckt und ohne große Überraschung feststellen müssen, dass keine Nachricht von Leo drauf war. Wenn Männer wirklich wie Kater waren, dann trieb er sich im Moment
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