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Sushi und Kartoffelbrei Ticktack

Sushi und Kartoffelbrei Ticktack

Titel: Sushi und Kartoffelbrei Ticktack Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freeman Jane
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energisch, erst das Krankenhaus.
    Marie, Nells um einiges jüngere Schwester, hatte darauf bestanden, dass sie bei ihr abstieg. »Wir lassen doch nicht zu, dass du in irgendeinem scheußlichen Motel übernachtest. Mit diesen furchtbaren braunen Tagesdecken und Haaren von anderen Leuten in der Dusche. Pfui, Deibel«, hatte sie sich gestern Abend am Telefon geschüttelt.
    »Aber ihr habt doch schon Nell zu Gast. Ich will euch wirklich nicht zur Last fallen.«
    »Sei nicht albern. Du kannst dir eins von den Zimmern aussuchen. Oder du nimmst das Schlafsofa im Wohnzimmer,
wenn dir das lieber ist. Zumindest glaube ich, dass wir das noch haben – wenn es nicht Ed mitgenommen hat, als er auszog …«
    Daisy hatte sich ein Lächeln verkneifen müssen. Typisch Marie, die nie einen Überblick übers häusliche Mobiliar besaß. Marie war, ganz im Gegensatz zu der äußerst pragmatischen Nell, eine Träumerin. Theater und Showbusiness erfüllten ihr Leben. Sie versuchte sich im Entwerfen von Kostümen und Bühnendekorationen, ja sogar als Produzentin von Stücken. Jetzt, mit Ende Fünfzig, war sie die treibende Kraft hinter dem örtlichen Theaterverein, wo sie Musicals wie ›Ein Pyjama für Zwei‹ und ›No, No Nanette‹ produzierte, inszenierte und, so oft es – angesichts ihres Alters – ging, auch die Hauptrolle übernahm.
    Daisy fand, was für ein Glück Marie doch hatte, so ganz und gar ihrem Steckenpferd leben zu können. Trotz aller Träume war sie doch immerhin gerissen genug gewesen, Onkel Len, nun irgendein hohes Tier im Bankwesen, zu heiraten. Angefangen hatte er allerdings als kleiner Schalterbeamter in einer Zweigstelle auf dem Lande, die süße dreiundzwanzigjährige Marie, ein kleiner Rauschgoldengel mit Pfirsichwangen, an seiner Seite. Dank Lens märchenhafter Karriere konnte Marie jeder gewünschten Aktivität frönen und dennoch abends in ein großes, solides Anwesen mit einer weit ausladenden Veranda und einem englischen Garten in Kew heimkehren. Ganz zu schweigen von den Kindermädchen für die vier Söhne, denen sie in ebenso märchenhafter Abfolge das Leben schenkte. Die vier Jungs schlugen allesamt dem Vater nach, ergriffen ebenso solide wie langweilige Berufe als Ingenieur, Wissenschaftler oder Banker. Immer wenn Daisy die ganze Familie versammelt sah, wunderte sie sich über das seltsame Sextett: fünf bullige, eher fantasielose Männer und diese launige kleine Frau, die Lieder von Rogers und Hammerstein vor sich hinträllerte, während
sie in der Küche herumschwirrte und Bananen- und Erdnussbuttersandwiches schmierte, weil sie vergessen hatte, das Backrohr mit dem Sonntagsbraten anzuschalten.
    Marie mochte zwar ein wenig wunderlich und zerstreut sein, aber sie hatte eine herzensgute Seele. Daisy war überzeugt, dass Nell dort auf das Liebevollste umsorgt wurde, auch wenn die Mahlzeiten aus abgelagertem Brot mit Meeresfrüchten aus der Dose und Senfcremecrackern bestanden.
    Ungeduldig wartete sie, dass das Flugzeug endlich landete, und ihre lieben Mitreisenden die schweren Reisetaschen, als ›Handgepäck‹ deklariert, aus den Fächern über den Sitzen gewuchtet hatten. Sie nahm ein Taxi – dessen Fahrer Gottlob zur schweigsamen Sorte gehörte – zum St. Patricks Hospital , einem weitläufigen, beige gestrichenen Backsteinbau in der Innenstadt. Ein altmodisches, eher ungepflegtes Interieur mit einer trostlosen Cafeteria im Erdgeschoss, in dem ausgemergelte Gestalten in Morgenmänteln herumsaßen und hingebungsvoll Zigaretten pafften, die Ständer mit ihren Infusionsflaschen neben sich. Unwillkürlich verglich Daisy diese Umgebung mit dem luxuriösen Ambiente der Privatklinik St. Benedicts. An Stelle von zarten Aromen aus Duftlampen und der Erinnerung an exzellenten Weißwein zum Dinner schritt sie hier durch abscheulich beige gestrichene Korridore, in denen es nach Desinfektionsmitteln stank. An der Wand verlief in Brusthöhe ein trauriger grüner Streifen, dessen Sinn und Zweck Daisy nicht durchschaute, außer, dass er vielleicht jenen verlorenen alten Männerseelen als Führer diente, die in ihren abgetragenen, kratzigen Morgenmänteln herumschlurften. Daisy beschloss als Erstes, wenn sie wieder in Sydney war, Tom einen neuen Morgenmantel zu kaufen; der schäbige rote musste weg. Ob er wollte oder nicht.
    Auf der Suche nach der Nephrologie durchstreifte Daisy die Gänge, verstohlene Blicke in offen stehende Krankenzimmer
werfend, wo zusammengekrümmte Gestalten unter steifen Krankenhausdecken

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