Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sushi und Kartoffelbrei Ticktack

Sushi und Kartoffelbrei Ticktack

Titel: Sushi und Kartoffelbrei Ticktack Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Freeman Jane
Vom Netzwerk:
höre, wie die Schwestern draußen rumtrampeln wie Elefanten«, sagte er gereizt.
    »Ich frage sie, ob du eine Schlaftablette haben kannst. Das ist immerhin ein Krankenhaus. Sollte doch nicht allzu schwierig sein«, schlug Daisy vor.
    Nell warf ihr einen dankbaren Blick zu. »Das wäre schön, wenn du fragen könntest, Daisy. Sie sind immer so beschäftigt, da will ich nicht stören.«
    »Aber dafür sind sie schließlich da. Immer ran an den Speck!«
    Nach einer Weile gelang es Daisy, eine Schwester aufzutreiben, die gerade in einer Spülküche Teller abwusch. Mürrisch sagte sie, sie werde versuchen, eine Schlaftablette für Rob zu finden; doch vorher müsste sie den Dienst habenden Arzt um Erlaubnis fragen.

    »Gut. Tun Sie das«, gab Daisy kurz angebunden von sich.
    Zurück auf der Station packte Nell gerade ihre Sachen zusammen und stopfte die Bettdecke um Rob herum fest.
    »Ich lasse dich jetzt schlafen, Schatz«, sagte sie zu Rob. »Bis morgen früh dann, zum Frühstück!«
    »Gut.« Rob hatte sich bereits zur Wand gedreht.
    »Gute Nacht, Dad«, verabschiedete sich auch Daisy. »Es war nicht leicht – aber ich hab die Schwester überredet, dir eine Schlaftablette zu bringen. Man könnte glauben, dass die Patienten sie nur von ihrer Arbeit abhalten.«
    Als Nell und Daisy langsam zum Lift gingen, legte Daisy ihren freien Arm um Nells Schultern.
    »Dad ist ein bisschen unausstehlich, nicht?«
    »Wer wäre das nicht, hier drin«, schoss Nell zurück. »In diesem Bett liegen zu müssen oder stundenlang auf einer Liege im Dialyseraum, angeschlossen an eine Maschine.«
    »Ich wollte ihn nicht kritisieren«, verteidigte sich Daisy milde, obwohl das nicht ganz stimmte. Dieser neue Rob erschreckte sie. Sie hasste es, ihn im Bett liegen zu sehen und kaum wiederzuerkennen, als wäre er in die Rolle eines ausgemergelten, dürren, ängstlichen alten Mannes geschlüpft.
    »Er sieht so – na ja, irgendwie geschrumpft aus«, versuchte sie Nell zu erklären, während sie den Lift betraten.
    »Nein, nein, im Gegenteil. Du hättest ihn vorher sehen sollen. Als sie ihn hier einlieferten, dachte ich, er müsste sterben. Er lag ganz zusammengekrümmt auf der Seite und wirkte wie ein Neunzigjähriger. Die Dialyse hat wahre Wunder gewirkt.«
    »Unfassbar, dass es so lange gedauert hat, bis sie darauf kamen«, schimpfte Daisy. »Wieso hat Doc MacIntyre andauernd von einer Sinusitis geschwafelt, wo es doch an Dads Nieren lag? Du solltest ihn wegen Pfuscherei verklagen.«
    Jetzt regte auch Nell sich auf. Doc MacIntyre war seit
dreißig Jahren ihr Hausarzt, hatte Daisy durch Masern und Windpocken geleitet, und Nell vertraute ihm als einem Arzt der alten Schule – jemand, der noch bereit war, sich für seine Patienten Zeit zu nehmen, und der verstand, dass Zuhören manchmal genauso wichtig war wie das Verschreiben eines Medikaments. Auf ihn ließ sie nichts kommen.
    »Doc Mac trifft keine Schuld! Die Ärzte hier sagen, dass so was nicht oft vorkommt. Kein Wunder also, dass er’s nicht erkannt hat. Na, auf jeden Fall ist jetzt ja alles klar.«
    Sie stapften durch die Tiefgarage und suchten Nells kleines grünes Auto mit der Delle in der vorderen Stoßstange, eine Erinnerung an Daisys erste Fahrversuche, als sie gegen den Weidezaun gedonnert war.
    »Und wann kommt er wieder raus?«, erkundigte sich die Tochter.
    »Irgendwann in den nächsten Wochen, sobald das mit der Dialyse unter Kontrolle ist.«
    Daisy warf Nell einen Seitenblick zu. »Und was machst du eigentlich den ganzen Tag über?«
    »Ich sitze bei ihm, lese ihm vor und lese selbst, wenn er einschläft. Bei der Dialyse rede ich mit ihm. Alles, was mir gerade einfällt.«
    Daisy bewunderte die Geduld ihrer Mutter. Sie fragte sich, ob sie für Tom dasselbe täte. Sie versuchte, sich einen alten, verhutzelten, kahlköpfigen Tom vorzustellen, der zusammengesunken in einem Krankenhausbett lag und herumquengelte wie ein Kind. Hätte sie die Geduld, bei ihm auszuharren, Schwestern für ihn zu holen oder Tee für ihn zu kochen? Sie hoffte es, war sich aber gar nicht sicher. Denn wenn Tom anfinge, sich selbst Leid zu tun, würde sie bestimmt ungeduldig werden und von ihm verlangen, doch mal eine Minute lang daran zu denken, wie schwer das alles für sie war. Natürlich hoffte sie, dass sie über solche Gefühle hinauswachsen und sich dann ganz auf Toms Notlage
konzentrieren könnte. Aber sie musste zugeben, dass ihr das dieses Jahr mit ihm und seiner wachsenden Verzweiflung über seine

Weitere Kostenlose Bücher