Svantevit - historischer Roman (German Edition)
so viel mitbekommen. Der Wind pfiff zwar über die Anhöhe, aber das Zelt lag ja in ihrem Schatten und vor Gewittern hatte ich noch nie Angst! Da bin ich wohl eingeschlafen. Schließlich war es Nacht und man hätte ja doch nur sich selbst in Gefahr gebracht beim Umherlaufen. Wie ich zu unserem kleinen Ausflug hier zu den Ranen stehe, weißt du ja. Dieser Wettlauf zwischen Heinrich und Waldemar um Rügen interessiert mich eigentlich überhaupt nicht! Von mir aus können wir gleich zurückkehren nach Sachsen. Wir sind dem Herzog halt waffendienstpflichtig und nach Arnulfs Tod war die Reihe an mir. Nur deshalb bin ich überhaupt hier! Und ihr seid uns verpflichtet, sonst wärst du doch auch nicht hier."
Christian, der seine bei der Geburt verstorbene Mutter niemals kennen gelernt hatte, war von seinem Vater als Jüngster der beiden männlichen Sprosse und in Tradition der mütterlichen Familie für eine Laufbahn in der Kirche vorgesehen worden. So wurde er, nachdem er die Elementarschule in der väterlichen Burg erfolgreich hinter sich gebracht hatte, zehnjährig zu seinem Onkel Hermann, dem Abt eines nicht unbedeutenden Benediktinerklosters im Harz, das auch eine Lateinschule unterhielt, geschickt.
Als zwei Jahre später Arnulf, der fünf Jahre älter war als Christian, bei seinem ebenfalls ersten ritterlichen Gefolgedienst, unter nie ganz geklärten Umständen zu Tode kam, änderten sich die Prioritäten, die Christian von seinem Vater gesetzt wurden, schlagartig und er kehrte auf die heimatliche Burg zurück. Er verließ seinen Onkel und die inzwischen vertraute Umgebung genauso ungern, wie er noch zwei Jahren zuvor hergekommen war, aber einem Jungen seines Alters stand es nicht zu, selbst über seine Zukunft zu entscheiden. Die Ausbildung zum Ritter begann er dann, wie ungefähr ein Dutzend anderer Jungen adeliger Herkunft, als Page unter der Aufsicht eines Rittmeisters.
Der plötzliche Hinweis auf die Lehnsverhältnisse ihrer Familien, die normalerweise zwischen ihnen wegen ihrer Freundschaft keine Rolle spielten, war einer kleinen Eitelkeit Christians geschuldet, die er sich manchmal ebenso wenig verkneifen wie hinterher verzeihen konnte, doch Ronalds ungewohnt barscher Ton bei ihrer Begegnung hatte ihn etwas geärgert.
"Nein, Herr, das wäre ich nicht, aber ich muss machen, was der Herr befiehlt!"
Ronald grinste breit und Christian, dem seine Bemerkung jetzt schon Leid tat, versuchte, nicht weiter darauf einzugehen.
"Was ist überhaupt mit unseren Sachen, den Pferden . . . und Diederich, ja wo um Gotteswillen ist denn eigentlich Diederich?", fragte Christian jetzt ernstlich besorgt.
"Ich weiß es nicht, kann aber kaum glauben, dass ihm etwas passiert ist. Ich habe ihn zwar noch nicht gefunden, obwohl ich überall gesucht habe, aber sein Ungeheuer wäre schon längst hier, wenn ihm etwas zugestoßen wäre", antwortete Ronald.
"Sein Pferd ist auch nirgendwo und er war ja wohl schlauer als wir, es nicht auf die Koppel zu geben."
"Warst du schon bei den Pferden?"
"Ja, die Verluste waren nicht so schlimm wie erwartet, aber sie sind in alle Richtungen versprengt und es wird einige Zeit dauern, bis sie eingefangen sind."
"Wie spät ist es überhaupt? Es ist noch so dunkel und irgendetwas stimmt nicht", sagte Christian.
"Die Sonne ist doch gestern in unserem Rücken untergegangen, aber genau von dort beginnt die Dunkelheit sich jetzt zu erhellen. Der Sonnenaufgang müsste doch aber dort beginnen."
Er wies nach Osten.
"Die Sonne ist schon längst aufgegangen. Die Wolkendecke ist nur immer noch so ungewöhnlich dicht und tief – ich habe niemanden getroffen, der so etwas schon jemals gesehen hat – und deshalb wirkt es so dunkel und das Aufklaren am Ende der Wolken sieht aus wie der Sonnenaufgang, aber keine Angst, die Schöpfung ist noch so gut, wie sie gestern abends war. Gegen Mittag, so etwa in zwei bis drei Stunden, werden wir die Sonne schon wieder am Himmel sehen."
Ronald sollte Recht behalten, was dies betraf. Kurz, bevor sie ihren höchsten Stand erreichte, schien die Sonne wie selbstverständlich von einem makellos blauen Himmel, der hinter der sich jetzt immer schneller nach Osten entfernenden Wolkenwand hervortrat. Der schlammige Boden trocknete rasch, dichten Nebeldunst von sich gebend. Die Vögel zwitscherten und die Grillen zirpten wie tags zuvor, so als sei nichts gewesen.
Auch seine Einschätzung der Verheerungen, die das Unwetter angerichtet hatte, war recht realistisch.
Worin er
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