Svantevit - historischer Roman (German Edition)
stehen, in Latein und darunter in Deutsch.
"Ich glaube, das ist für mich."
Radik nahm das Lederstück an sich und steckte es unter sein Hemd.
Die alte Stute
Nachdem sich der strenge Winter lange ins neue Jahr gezogen hatte, waren alle froh, als es endlich wärmer wurde.
Später als gewöhnlich hatte die Fangsaison für die Fischer begonnen. Nun fuhren die Boote wieder allmorgendlich hinaus und auch Radiks und Feroks Tagesablauf wurde wieder vom Fischfang bestimmt. Außerhalb der Heringszeiten war die Arbeit allerdings erträglicher und abwechslungsreicher.
Besonders liebte Radik es, im seichten Wasser mit einem Spieß oder einer Stülpe Flundern zu fangen. Hier war Geschicklichkeit gefragt und es war oft nicht einfach, einen dieser sich in den Sand eingrabenden Plattfische überhaupt zu entdecken. Ungleich schwerer war diese Art der Jagd auf Barsche, Hechte oder gar Aale, die bei ihren schnellen Schwimmbewegungen kaum zu treffen waren. Hier galt es, sich so dicht wie möglich anzunähern, ohne den Fisch zur Flucht zu veranlassen. Dazu musste erst einmal Erfahrung gesammelt und ein gewisses Gespür entwickelt werden. Aber der Nervenkitzel und die Freude, einen sich wild windenden Aal mit dem Spieß aus dem Wasser zu heben, waren alle Mühen wert.
Da die Männer sahen, dass Radik für diese Art der Jagd Talent hatte und sich seine Erfolge bald mehrten, wurde er bald ausschließlich mit der Aufgabe betraut, in Ufernähe lohnende Beute aufzuspüren und zu erlegen. Dazu gehörte auch das Ausbringen und Leeren der Reusen, was weniger abenteuerlich als das Spießen, doch nicht so monoton wie das Netzfischen war. Radiks Vater legte Wert darauf, dass er alle notwendigen Techniken erlernte und sicher beherrschte.
So begann Radik, sich seine Spieße und kleinen Speere selbst zu schnitzen. Neben den handwerklichen Fähigkeiten war ein gutes Auge beim Aussuchen des Holzes gefragt. Die Waffe sollte gut in der Hand liegen, musste unbedingt völlig gerade verlaufen und eine feste aber sehr dünne Spitze besitzen, die den Fisch nicht zerfetzte und ihn mit kleinen Widerhaken festhielt. Da das Material nicht sehr lange hielt, vor allem, wenn man den Fisch verfehlte und sich der Spieß in den Meeresboden bohrte, mussten ständig neue Fanggeräte gebastelt werden. Wenn Radik ein außergewöhnlich gutes Holz fand, stellte er zunächst einen Spieß her, der eine solche Länge hatte, dass er gerade noch zu handhaben war. Sollte die Spitze zu Bruch gehen, konnte man eine neue dahinter ansetzen. Dies wurde dann so oft wiederholt, bis der Spieß zu kurz war, um ihn treffsicher werfen zu können.
So geschickt Radik beim Herstellen der Wurfspieße war, so schwer tat er sich bei der Herstellung der Reusen. Das Knüpfen der engen Maschen wollte ihm einfach nicht von der Hand gehen. Oft half ihm sein Bruder, der eine Begabung im Umgang mit allen Materialien hatte. Aber der Vater war ein strenger Lehrmeister und forderte Radik immer wieder auf, diese unliebsame Tätigkeit zu üben.
"Wer seine Familie vom Fischfang ernähren will, muss in der Lage sein, sich sein Fanggerät selbst zu bauen", wiederholte er gerne.
Als Radik einmal genervt gemeint hatte, dass er ohnehin nicht Fischer werden, sondern der Tempelgarde beitreten wolle, hatte sein Vater zunächst gelacht. Doch da Radik dieses Ansinnen immer wieder ins Feld führte, wenn ihm eine Tätigkeit nicht behagte und er dies nicht scherzhaft, sondern mit großer Ernsthaftigkeit tat, verbat ihm der Vater schließlich jedes weitere Wort.
"Wie stellst du dir das denn vor? Tempelgarde? Als Fischer hast du dein Auskommen! Es reicht für dich und deine Familie! Schlag dir alles andere aus dem Kopf! Du bist mein ältester Sohn und wirst, wie ich und wie mein Vater, Fischer! Ivod hat geschickte Hände – er wird das Handwerk eines Schmiedes oder Böttchers sicher leicht erlernen. Aber Tempelgarde – wie kommst du nur auf solchen Unsinn! Darüber will ich nichts mehr hören – kein einziges Wort! Je eher du das einsiehst, um so besser für dich!"
Er hatte sich regelrecht in Rage geredet und war wütend davongegangen.
Und so unterließ Radik künftig solche Bemerkungen und murrte nur leise. Und dennoch gab es kein größeres Glück, als nach getaner Arbeit in die Burg und dort zu den Stallungen zu eilen. Die Wachen am Tor wussten bald alle, dass der blonde, hoch aufgeschossene Junge der Neffe von Ugov war und stellten daher keine Fragen mehr.
Bei den Pferden angekommen,
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