Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Svantevit - historischer Roman (German Edition)

Svantevit - historischer Roman (German Edition)

Titel: Svantevit - historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nikolai M. Jakobi
Vom Netzwerk:
Fischerdörfchen Vitt war erreicht.
    Die vorbeieilenden Menschen hielten ihre Köpfe gesenkt oder hatten dicke Fellmützen tief ins Gesicht gezogen. Dann aber bemerkten die ersten Dörfler die Ankömmlinge und noch ehe diese dem Schlitten entstiegen waren, hatte sich ein kleiner Auflauf gebildet. Rufe hallten durch das Dorf und ließen immer mehr Menschen hinzueilen.
    Schließlich wurde Radik, der gerade im Aussteigen begriffen war, fast umgerissen. Sein Vater hatte einen Arm um seine Schulter gelegt, hob mit dem anderen Rusawa vom Schlitten und drückte die beiden fest an sich. Die Mutter, die ihre Tränen nicht zurückhalten konnte, gesellte sich dazu.
    "Endlich seid ihr wieder da!"
    Die Menschentraube bewegte sich in Richtung des Hauses, in dem Radiks Familie wohnte. Die Umstehenden redeten aufgeregt, während sich Radik, seine Eltern und seine Geschwister, Ivod war in nur dünnem Leinenzeug in die Kälte gestürmt, still umfasst hielten.
    Radik löste sich und drehte sich um. Wie er sah, hatte Womar seinen Schlitten bereits gewendet und fuhr langsam davon. Ihm fiel ein, dass er sich noch nicht bedankt hatte. Er wusste nicht einmal, wo die Hütte des Alten zu finden war. Wegen des Schneetreibens hatte er sich während der Schlittenfahrt nicht orientieren können. Radik hob den rechten Arm so hoch es ging, streckte sich auf Zehenspitzen und winkte dem Schlitten hinterher. Ohne sich umzudrehen, hob Womar im selben Moment seine Hand, bis sein Gefährt schließlich von der weißen Flockenwand verschluckt wurde.
    Radik wurde von der Menschenmenge weiter geschoben. Ihm kam es vor, als wollte ihm jeder Dorfbewohner auf die Schulter klopfen. Aus den freundlich gemeinten Gesten wurde ein Schieben und Ziehen.
    Da entdeckte Radik, als sich eine kurze Lücke in der Menge der Leiber und Köpfe bot, Zasara, die vor ihrem Haus stand und ihm zulächelte. Er riss sich mit aller Kraft los und lief zu ihr. Unter ihrer Fellmütze kam zu jeder Seite ein blonder Zopf hervor. Ihre Wangen waren gerötet und sie strahlte über das ganze Gesicht.
    "Wo wart ihr nur so lange?", fragte sie mit dem unverkennbaren Unterton von Erleichterung und abgefallener Sorge.
    Sie strich ihm mit ihren warmen Händen Schneeflocken von der Stirn und nach einem kleinen Zögern drückte er sie fest an sich, wenn auch nur kurz. Als er zur Seite blickte, sah er, wie Ferok ihn frech angrinste.
    Schließlich waren alle Verwandten und Freunde im Haus versammelt. Radik erfuhr, dass man im Dorf an dem Tag, als er mit Rusawa zum Böttcher gehen sollte, bereits am Abend mit der Suche nach ihnen begonnen hatte. Mit Fackeln sei man die Wegstrecke abgelaufen und habe schließlich das Eisloch und einen Schuh von Rusawa gefunden. An dieser Stelle des Berichtes zeigte Rusawa stolz auf ihre neuen Schuhe aus Leder und Fell, die Womar für sie angefertigt hatte. Zwei gute Schwimmer, die man mit Seilen gesichert hatte, seien schließlich im Eisloch getaucht, hätten aber nichts gefunden. Zwei Tage habe man daraufhin gebangt, bis eine Nachricht eintraf, dass ein Junge und ein Mädchen aus dem Eis gerettet und wohlbehalten untergebracht worden seien. Man habe daraufhin in allen nahe gelegenen Dörfern nachgefragt – aber ohne Erfolg.
    "Wir waren mitten im Wald", sagte Rusawa, "Da hättet ihr uns nie gefunden!"
    Und sie berichtete mit ihren einfachen Worten von Womar, der Radik mit seinen Kräutern behandelt hatte, als dessen Fieber so hoch war, dass seine Stirn so heiß wie ein Ofen gewesen sei. Die Mutter schlug noch nachträglich die Hände über dem Kopf zusammen.
    "Was war das eigentlich für ein Alter?"
    "Jedenfalls ist es kein Geizhals"
    Der Vater holte einen Leinensack hervor, dem er einen Topf Honig und einen Krug voll Met entnahm.
    "Dies hat er mir übergeben, bevor er sich recht eilig mit seinem Schlitten davon machte."
    "Womar hat ganz viele Töpfe voll Honig und eine große Wanne", Rusawa holte weit mit den Armen aus, "gefüllt mit Met."
    "Dann ist er wohl ein Zeidler?"
    "Ein was?"
    Radik wurde neugierig.
    "Ein Zeidler. Er hält sich Bienen und sammelt den Honig. Frag mich aber nicht, wie das genau gemacht wird."
    "Und was ist das?"
    Rusawa hielt ein Stück dünnes Leder in der Hand, auf dessen heller Seite etwas mit Kohle gezeichnet war.
    Radik sah sofort, dass es sich nicht um Zeichnungen, sondern um Geschriebenes handelte. Er erkannte dasselbe Schriftmuster, welches Womar auf die Steinplatte aufgebracht hatte. Demnach mussten dort die Worte ´Ich heiße Radik´

Weitere Kostenlose Bücher