Svantevit: Radiks Geschichte - Historischer Roman (German Edition)
und wusste, dass sie in den Händen dieser kleinen unscheinbaren Person gut aufgehoben waren. Beruhigt ließ er seinen Kopf zurücksinken und verfiel augenblicklich in einen schlafähnlichen Dämmerzustand.
Wie aus der Ferne nahm er eine Stimme wahr.
"Schnell Kaila, wir müssen uns beeilen!"
Er dachte noch, dass der Alte sein Pferd nicht antreiben brauche, denn es würde ihm gar nichts ausmachen, hier noch eine Weile auf dem Schlitten zu liegen.
Die alte Stute
Nachdem sich der strenge Winter lange ins neue Jahr gezogen hatte, waren alle froh, als es endlich wärmer wurde.
Später als gewöhnlich hatte die Fangsaison für die Fischer begonnen. Nun fuhren die Boote wieder allmorgendlich hinaus und auch Radiks und Feroks Tagesablauf wurde wieder vom Fischfang bestimmt. Außerhalb der Heringszeiten war die Arbeit allerdings erträglicher und abwechslungsreicher.
Besonders liebte Radik es, im seichten Wasser mit einem Spieß oder einer Stülpe Flundern zu fangen. Hier war Geschicklichkeit gefragt und es war oft nicht einfach, einen dieser sich in den Sand eingrabenden Plattfische überhaupt zu entdecken. Ungleich schwerer war diese Art der Jagd auf Barsche, Hechte oder gar Aale, die bei ihren schnellen Schwimmbewegungen kaum zu treffen waren. Hier galt es, sich so dicht wie möglich anzunähern, ohne den Fisch zur Flucht zu veranlassen. Dazu musste erst einmal Erfahrung gesammelt und ein gewisses Gespür entwickelt werden. Aber der Nervenkitzel und die Freude, einen sich wild windenden Aal mit dem Spieß aus dem Wasser zu heben, waren alle Mühen wert.
So geschickt Radik beim Anfertigen der Wurfspieße war, so schwer tat er sich bei der Herstellung der Reusen. Das Knüpfen der engen Maschen wollte ihm einfach nicht von der Hand gehen. Oft half ihm sein Bruder, der eine Begabung im Umgang mit allen Materialien hatte. Aber der Vater war ein strenger Lehrmeister und forderte Radik immer wieder auf, diese unliebsame Tätigkeit zu üben.
"Wer seine Familie vom Fischfang ernähren will, muss in der Lage sein, sich sein Fanggerät selbst zu bauen", wiederholte er gerne.
Als Radik einmal genervt gemeint hatte, dass er ohnehin nicht Fischer werden, sondern der Tempelgarde beitreten wolle, hatte sein Vater zunächst gelacht. Doch da Radik dieses Ansinnen immer wieder ins Feld führte, wenn ihm eine Tätigkeit nicht behagte und er dies nicht scherzhaft, sondern mit großer Ernsthaftigkeit tat, verbat ihm der Vater schließlich jedes weitere Wort.
"Wie stellst du dir das denn vor? Tempelgarde? Als Fischer hast du dein Auskommen! Es reicht für dich und deine Familie! Schlag dir alles andere aus dem Kopf! Du bist mein ältester Sohn und wirst, wie ich und wie mein Vater, Fischer! Ivod hat geschickte Hände – er wird das Handwerk eines Schmiedes oder Böttchers sicher leicht erlernen. Aber Tempelgarde – wie kommst du nur auf solchen Unsinn! Darüber will ich nichts mehr hören – kein einziges Wort! Je eher du das einsiehst, um so besser für dich!"
Er hatte sich regelrecht in Rage geredet und war wütend davongegangen.
Und so unterließ Radik künftig solche Bemerkungen und murrte nur leise. Und dennoch gab es kein größeres Glück, als nach getaner Arbeit in die Burg und dort zu den Stallungen zu eilen. Die Wachen am Tor wussten bald alle, dass der blonde, hoch aufgeschossene Junge der Neffe von Ugov war und stellten daher keine Fragen mehr.
Bei den Pferden angekommen, atmete er erst einmal tief durch. So sehr er auch das Meer liebte, würde er den Geruch der Fische lieber heute als morgen gegen den warmen, wilden Duft der großen Tiere eintauschen.
Einige Pferde begrüßte Radik, indem er ihnen Rücken und Hals klopfte. Er hatte bald gemerkt, dass diese Tiere nicht alle von gleichem Charakter und Gemüt waren. Es gab unter ihnen freundliche und hinterhältige, ängstliche und übermütige, neugierige und scheue, geduldige und leicht reizbare Tiere.
In letzter Zeit kümmerte er sich besonders um eine ältere Stute, die ein Fohlen erwartete. Diese Schwangerschaft war nicht geplant gewesen. Ein Hengst musste irgendwie auf die falsche Koppel gelangt sein. Radiks Onkel hatte getobt, als er davon erfuhr. Bei solch einem alten Tier waren die Schwangerschaft und die Geburt mit großen Komplikationen verbunden. Es herrschte Verwunderung, dass diese alte Stute überhaupt noch schwanger geworden war.
Und tatsächlich wirkte die Stute bald schwach und wurde zusehends apathisch. Doch als er sah, wie sein
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