Svantevit: Radiks Geschichte - Historischer Roman (German Edition)
Onkel und die anderen dieses Tier aufgaben, nahm sich Radik seiner an. Zunächst tat er dies aus reinem Mitleid mit diesem unscheinbaren braunen Pferd, dessen Bauch in dem Maß dicker zu werden schien, wie der übrige Körper an Kraft und Substanz verlor.
Als er aber nach Wochen bemerkte, dass das Tier auf ihn reagierte, sich ihm zuwendete, den Blick aufrichtete, ihm gar einige Schritte entgegenkam und ihn mit der Schnauze leicht, wie zur Begrüßung, anstupste, entwickelte er Zuneigung zu dieser Stute, die eigentlich so gar nicht seinen Vorstellungen von einem schönen, starken Pferd entsprach.
"Häng dein Herz nicht an das Tier", hatte ihn sein Onkel gewarnt, "Es würde mich nicht wundern, wenn ich es eines Morgens tot in seinem Verschlag finden würde. Da ist nichts zu machen, Radik, so ist der Lauf der Dinge. Und die Geburt eines Fohlens, da kannst du ganz sicher sein, überlebt diese Stute ohnehin nicht."
Aber die Geburt war gerade der Augenblick, auf den Radik hinfieberte. Wenn das Fohlen erst den Körper der Stute verlassen hatte, würde sich diese sicher schnell wieder erholen. Es ging ihm nicht darum, ein unrettbar krankes Tier am Leben zu erhalten. Für solche Träumereien war er zu alt. Aber sein Onkel hatte selbst gesagt, dass diese Stute ohne die Schwangerschaft noch ein paar Jahre hätte Leben und leichte Aufgaben erfüllen können. Und so war Radik nur daran gelegen, ihr über die Zeit bis zur Geburt hinwegzuhelfen.
Er füllte einen Eimer mit Hafer und hielt ihn unter ihren Kopf. Langsam begannen ihre Kiefer zu malmen. Selbst das Fressen fiel ihr schwer. Radik redete mit ruhigen Worten auf sie ein.
Ugov bewunderte Radiks fürsorgliche Pflege. Er hatte nur Angst, dass Radik das erste Pferd, dem er seine Zuneigung schenkte, bald verlieren würde. Seine groben und direkten Worte in Hinsicht auf den Zustand des Pferdes sollten eine Enttäuschung bei dem Jungen vermeiden.
Und eines Tages, als Radik den Stall betrat, lag die Stute in Ihrem Verschlag und konnte nicht mehr aufstehen. Ugov, der mit ein paar Männern in der Nähe stand, sah Radik ratlos an.
"Lass sie in Ruhe sterben!"
"Nein!" schrie Radik.
Er ging langsam zu dem Tier, klopfte ihm vom Rücken beginnend nach vorne über den Hals und sprach leise zu ihm.
"Du darfst jetzt nicht aufgeben! Du musst aufstehen!"
Er hielt dem Pferd etwas Hafer hin, ohne dass es dieses überhaupt zu registrieren schien. Das Tier atmete schwer und zitterte leicht. Mit Stroh begann Radik den Körper der Stute abzureiben, wieder und wieder, so lange bis er seine Arme kaum noch bewegen konnte. Draußen begann es bereits zu dämmern. Ugov steckte Fackeln in die Halterungen an den Stützbalken und setzte sich neben Radik ins Stroh.
"Freiwillig wird sie nicht mehr aufstehen", er deutete auf die Stute, "Dazu fehlt ihr der Wille und die Kraft."
"Aber kann man da gar nichts mehr machen? Du kennst dich doch aus mit Pferden! Die Männer hier achten und schätzen dich wegen deines geschickten Umganges mit den Tieren. Und jetzt willst du einfach aufgeben?"
Radik versuchte seinen Onkel zu provozieren, seinen Ehrgeiz wecken.
"Wir müssten sie mit Gewalt aufrichten und sehen, ob sie dann wieder steht. Es ist die letzte Chance und stell dich bitte darauf ein, dass wir anders nicht mehr helfen können."
Er stütze sich mit seiner Krücke hoch.
"Ich werde ein paar Männer holen und du kannst schon mal ein paar Seile und Decken zusammensuchen."
Einige Zeit später hatte man der Stute Decken übergeworfen und einige Stricke um ihren Leib gelegt. Die Seilenden wurden über einen Balken geworfen, der sich oberhalb des Verschlages befand.
"Für diese alte Schindmähre lohnt sich der Aufwand doch ohnehin nicht mehr", meinte einer der Männer, worauf Ugov seine Krücke nach ihm schleuderte, der er nur knapp ausweichen konnte.
"Kein Wort, bevor wir es nicht versucht haben", sagte Ugov streng zu dem Vorlauten, der eilig die Krücke zu ihm zurückbrachte.
Jetzt wusste Radik, dass sein Onkel alles Mögliche tun würde, um das Tier zu retten.
Bald waren die Männer am Seil ziehend und den Pferdekörper schiebend schweißüberströmt und mit hochroten Gesichtern ehrgeizig in ihre Aufgabe vertieft. Wieder und wieder ertönten Kommandos und langsam hob sich das Tier, wobei Radik sorgsam darauf achtete, dass die Stricke gut gepolstert auf Decken lagen und die Haut nicht zu sehr strämmten oder gar einschnitten.
Schließlich war eine Höhe erreicht, in der das Pferd gut stehen
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