Sven Larsson Bd. 1 - Rebell unter Segeln
sich, wenn Sven es gelegentlich benutzte. Und er vermittelte Sven seinen Stolz auf die Schiffbauer und Seefahrer in den amerikanischen Kolonien. »Drei Viertel aller Schiffe, die zwischen Amerika und England segeln, gehören Kolonisten. Und wir bauen immer mehr Schiffe selbst. Wir werden England eines Tages überrunden.«
Mit Schwager und Schwägerin verstand sich Astrid auch gut. Sie half in der Bäckerei aus, wenn es nötig war, und achtete darauf, dass sie immer mehr Kontakt mit Christine hatte als mit Björn. Christine fasste Vertrauen zu ihr, suchte gut erhaltene Kleidung und Spielsachen ihrer ein Jahr älteren Tochter für Ingrid heraus. Und auch die beiden Mädchen mochten sich gut leiden.
Aber immer wieder packte Astrid die Erinnerung an Einar. Sie fühlte ihn, sie hörte ihn, und dann griff die Wirklichkeit nach ihr, und sie weinte bitterlich. Der Opa kam eines Tages hinzu, als sie tränenüberströmt auf der Fensterbank saß.
Er setzte sich zu ihr, umarmte und sagte nach einer Weile: »Es ist furchtbar, dass er so plötzlich von dir gerissen wurde. Aber er wird immer in deinem Gedächtnis als junger, kräftiger und begehrenswerter Mann leben. Du wolltest mit ihm gemeinsam alt werden. Aber das bedeutet auch, dass du zusiehst, wie der junge Körper hinwelkt, faltig, unansehnlich, ja abstoßend wird. Es bedeutet auch, mit den beiderseitigen Gebrechen und Krankheiten zu leben. Die Liebe erträgt das, aber es ist nicht leicht. Gott hat dir das erspart. Dein Einar bleibt in deiner Erinnerung immer jung. Wir können Gottes Willen nicht ergründen, wir sollten uns fügen.«
Astrid half diese Aussprache. Der Gedanke, dass Einar oder sie so in eine Schattenwelt hätten abtauchen können wie die Oma, erschreckte sie sehr. Sie wurde ruhiger.
Zu Astrids innerem Frieden trug auch bei, dass sie wieder ihre Aufgaben in der Schule fand. Im Staat New Jersey, in dem sie jetzt wohnten, hatte Erziehung einen hohen Stellenwert. Grundschulen für Jungen gab es seit Langem. Seit Jahren wurde auch in Philadelphia die »William-Penn-Charter-Schule« als Sekundarschule ausgebaut. Für Mädchenwurde die Grundschule jetzt durch die Privatinitiative der Eltern eingerichtet. Ingrid war eine der ersten Schülerinnen.
Der Opa war sehr am Schulbesuch seines Enkels interessiert und achtete besonders darauf, dass die Schule guten Mathematikunterricht anbot. Für Ingrid schien ihm die Anleitung zu häuslichen Fertigkeiten auszureichen. Astrid beunruhigte das nicht weiter, denn das war nun eben die vorherrschende Einstellung unter den Männern. Aber als sie eine der beiden Lehrerinnen an der neuen Grundschule für Mädchen wurde, konnte sie mitwirken, dass die Mädchen mehr lernten als die Anfangsgründe in Lesen, Schreiben und Rechnen.
Für Sven und Ingrid waren es neue Erfahrungen, so viele Stunden gemeinsam mit anderen Kindern zuzubringen. All die kleinen Finessen, die auch Kindern schon geläufig sind, um sich in die rechte Position zu setzen, die eigene Bedeutung herauszustreichen und Vorteile zu erlangen, waren ihnen unbekannt.
Empört berichtete Ingrid ihrer Mutter, wie andere Mädchen sie bei ihrer Sitznachbarin anschwärzten, wie sie über jeden Nachteiliges zu tratschen hatten und mit ihren Büchern prahlten. Zum Glück hatten sie eine einheitliche Schultracht, aber die Frisuren wurden Gegenstand des Wettbewerbs.
Ingrid lernte mit Astrids Hilfe schnell, und Astrid hatte in der eigenen Schule auch Gelegenheit, das Miteinander zu beeinflussen. Bei Sven war es einfacher. Er war kräftig. Nachdem er merkte, dass einige Mitschüler seine Gutartigkeit als Schwäche auslegten und ihn schikanieren wollten, teilte er einmal ein paar kräftige Hiebe aus und wurde seitdem respektiert.
Dass der Opa mehr Interesse für Svens Schulerfolge zeigte als für Ingrids Fortschritte, tat Astrid als eine typisch männliche Einstellung ab. Aber als er das Lerninteresse durch geografische Karten, astronomische Tafeln und Kursbestimmungen anregen wollte, wurde sie misstrauisch.
»Vater, was hast du vor mit Sven? Willst du einen Seemann aus ihm machen? Das hätte sein Vater nicht gewollt, und ich will das auch nicht. Er ist klug genug, um das College in New Jersey zu besuchen und einmal Anwalt oder Richter zu werden.«
Der Großvater schaute bedrückt drein. »Keiner meiner beiden Söhne wollte zur See fahren. Ich konnte ihnen nicht vermitteln, was das für ein großartiger Beruf ist, weil ich selten zu Hause war. Aber Sven soll das wenigstens
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