Sven Larsson Bd. 1 - Rebell unter Segeln
schrecklich, sie ständig ohne Geist und Verstand zu erleben. Nun ist sie doch wenigstens wieder zeitweise bei uns.«
Dr. Wilbur sah Astrid an, als ob er überlege, noch etwas zu sagen. »Sie haben noch etwas auf dem Herzen, Herr Doktor«, ermunterte ihn Astrid.
»Ja, Frau Larsson, aber ich scheue mich, meinen Wunsch zu äußern, nachdem ich sah, wie wichtig Ingrids Anwesenheit für die Familie ist. Sie wissen, dass Ingrid und unsere Sabrina eng befreundet sind. Sabrina ist leider ein Einzelkind geblieben. Meine Frau und ich möchten ihr nun mehr Bildung zukommen lassen, als das in der Schule möglich ist. Wir kennen einen Herrn, der unserer Tochter Unterricht in Französisch, Geschichte und Geografie erteilen könnte, an vier Nachmittagen, jeweils zwei Stunden.«
Astrid wunderte sich etwas über die pedantische Erklärung, aber sie kannte Dr. Wilburs systematische Art schon aus einigen Gesprächen. Nun fuhr er fort: »Meine Frau und ich haben schon mehrfach erlebt, wie viel besser unsere Sabrina auffasst, wenn Ingrid mit ihr lernt. Daher wollten wir Sie herzlich bitten, ob nicht Ingrid am Unterricht für unsere Tochter teilnehmen dürfte. Wir würden selbstverständlich alle Auslagen erstatten, die entstehen, weil Ingrid Ihnen nicht helfen kann oder weil sie etwas braucht.« Er schloss mit einer etwas hilflosen Handbewegung.
Astrid war überrascht. Dachten die Leute, sie wolle oder könne sich nicht um die Bildung ihrer Tochter kümmern? Aber dann sah sie Dr. Wilburs ehrliches Gesicht, erkannte, wie wichtig ihm ihre Zustimmungwar, und sagte etwas verlegen: »Ingrid ist doch erst sieben Jahre alt, Herr Doktor. Ist es nicht etwas zu früh für diese Themen?«
Dr. Wilbur nickte. »Die Frage hat uns auch beschäftigt, verehrte Frau Larsson. Aber ich habe mich in die Literatur eingearbeitet. Die meisten Fachleute sind der Auffassung, dass die Kinder leichter lernen, je früher sie lernen. Und wir achten sehr darauf, dass der Lehrer anregend und anschaulich unterrichtet und nicht etwa wie ein Drillmeister paukt. Sie würden uns einen großen Gefallen tun, wenn Ingrid das auch will.«
Und so konnte Ingrid nach einiger Zeit mit ihrem Bruder bei seinen Wochenendbesuchen auch einige Redewendungen in Französisch austauschen.
Opa Larsson erhielt von Zeit zu Zeit Besuch von seinem alten Kollegen und Freund William Bradwick, der nach seiner Zeit als Kapitän die Reederei des Vaters mit fünf Schiffen übernommen und nun seinem Sohn das Tagesgeschäft übergeben hatte. Er war sehr wohlhabend, sehr angesehen und Mitglied der Versammlung, die Gouverneur William Franklin beriet.
Mr Bradwick war auch sehr freundlich zu Astrid und den Kindern. Er selbst hatte eine deutsche Mutter und einen schwedischen Vater gehabt. Und so scherzte er mit Astrid ein paar Worte in Deutsch und neckte Sven mit einigen Brocken Schwedisch. Er war hager und ging ein wenig schwer am Stock, aber er lachte gern und wirkte dann jünger.
Mit ihm hielt auch die Politik Einzug in das Familienleben der Larssons, die sich darum lange überhaupt nicht gekümmert hatten, weil Astrid vollauf beschäftigt war, sich und ihre Kinder in die neue Umgebung einzugliedern, und weil der Opa lange zu sehr mit dem geistigen Verfall seiner Frau beschäftigt gewesen war.
Mr Bradwick war ein scharfer Kritiker der Londoner Kolonialpolitik, die ihm einzig und allein von dem Bestreben bestimmt schien, die Kolonien als Rohstofflieferanten auszubeuten. »Wenn wir etwas herstellen, ob es nun Eisenwaren sind aus den Gruben in Pennsylvaniaoder Kleider aus der virginischen Baumwolle, nichts dürfen wir direkt exportieren. Alles muss über England laufen. Dadurch werden unsere Waren unangemessen verteuert. Uns erlegt man höhere Zölle auf als den Engländern, und ihre Beamten sind arrogant und ignorant.«
Astrid merkte auch sonst, wie unbeliebt Beamte und Soldaten der britischen Regierung waren. Aber Ingrid berichtete auch von anderen Stimmen. Im Hause von Dr. Wilbur sprach man sehr verständnisvoll über die Politik der Londoner Regierung.
Ingrid erzählte: »Dr. Wilbur hat gesagt, dass die Kolonien sehr undankbar seien. Das Mutterland habe auch im letzten Krieg Truppen geschickt, um uns gegen die Franzosen und die Indianer zu verteidigen. Aber die Händler seien nur daran interessiert gewesen, den Truppen für die Verpflegung viel Geld abzunehmen. England habe viel Geld geopfert, und keiner wolle sich an den Kosten beteiligen.«
»Das leuchtet mir auch ein«, sagte
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