Sven Larsson Bd. 1 - Rebell unter Segeln
antwortete nicht, sondern zielte über das Rohr des langen Achtpfünders. Sein erster Schuss hatte einen Meter unter der Kanone ins Heck getroffen und sicher erheblichen Schaden angerichtet, aber die Heckkanone nicht ausgeschaltet. Jetzt achtete er wieder sorgfältig auf das Heben und Senken der Wogen und stieß dann schnell die Lunte auf das Zündloch. Wer über das Rohr schaute, konnte die Kugel wie einen dunklen Strich verfolgen.
Dann fetzte es drüben Holz und Staub in die Luft. Es hatte die Reling und dahinter die Kanone getroffen. Sie hörten nun den Krach und das helle »Peng«, als ihre Kugel auf das Rohr schlug.
Joshuas Kanoniere jubelten, aber er trieb sie zum Nachladen an.
»Noch ein Treffer, und sie geben auf«, sagte Sven zu Mr Selberg.
Und tatsächlich. Als Joshua den Besanmast zerschoss, zogen sie auf der Bark die Flagge ein und schwenkten weiße Tücher.
»Mr Selberg, suchen Sie sich dreizehn Mann, und übernehmen Sie. Kapitän und Maate schicken Sie bitte zu uns, die Papiere auch. Ich schaue inzwischen nach der zweiten Brigg.«
Da die beiden Briggs mit notdürftig reparierten Segeln zur Freedom herangekrochen waren, hatte er es nicht weit.
Die Ketsch hatte inzwischen an der Seite der Brigg festgemacht, und Adam winkte herüber.
»Gratuliere zur Prise, Mr Borg!«, rief Sven. »Sie übernehmen die Brigg. Wie viel Mann brauchen Sie zusätzlich für sich und für die Ketsch? Wer soll dort kommandieren?«
»Neun Mann für die Brigg und zwei für die Ketsch. Der Maat, der dort ist, kann kommandieren. Er braucht ja bloß im Konvoi zu segeln.Aber der Sanitäter muss rüberkommen und die Verletzten verarzten, Mr Larsson. Außerdem schicke ich Ihnen einen Nachbarsjungen.«
Sven war zusammengezuckt, als er die Zahlen hörte. Da blieben ihm ja kaum genug Männer, um den Schoner zu segeln.
»Fragen Sie, ob dort Seeleute in unseren Dienst treten wollen. Die können Sie uns mit den Maaten schicken.«
Adam winkte zur Bestätigung. Und tatsächlich stiegen kurz darauf mit den beiden Maaten ein Junge und zwei Männer in das Boot, beschimpft von der verbliebenen Besatzung der Brigg, die Adam aber mit groben Worten zurück an die Segel scheuchte.
Die beiden Maate kletterten an Bord der Freedom und übergaben Sven ihre Schiffspapiere. Sven entschuldigte sich für einen Moment und fragte die anderen, ob sie in die Dienste der Reederei Bradwick treten wollten.
»Aye, Sir. Wir sind aus New Haven und wurden von den Briten immer wieder angepflaumt, seit die Kolonien unabhängig werden wollen.«
»Na gut! Mr Bird wird euch die Plätze anweisen. Ich rede später mit euch. Und was soll der Junge hier?«
»Er ist aus Gloucester am Delaware. Ihr Maat da drüben sagt, er soll sich beim Nachbarn melden.«
Sven schaute etwas verdutzt und fragte dann den Burschen: »Wie heißt du denn?«
»Billy Walton, Sir?«
Sven stutzte. »Von den Waltons an der Poststation in der Cedar Street?«
»Ja, Sir.«
Sven musste etwas überlegen. »Da ist doch vor zwei Jahren ein Mann von einem Pferd erschlagen worden.«
Der Junge bekam einen trotzigen Zug im Gesicht. »Das war mein Vater. Meine Mutter hat nach einem Jahr wieder geheiratet. Ich bin weggelaufen, weil ihr Mann mich dauernd geschlagen hat. Und ich geh auch nicht wieder hin!«
»Dann melde dich bei meinem Burschen. Du kannst ihm helfen. Er hat genug zu tun, wo wir so viele Gefangene an Bord haben.«Sven konnte nicht mehr an den Jungen aus seiner Heimat denken, weil er vollauf beschäftigt war, den Maaten der gekaperten Schiffe das Ehrenwort abzunehmen, dass sie nichts gegen sein Schiff unternehmen würden. Sonst müssten sie eingeschlossen in ihrer Kajüte bleiben.
Dann beschäftigte er sich mit der Einteilung der Leute und sorgte dafür, dass Handwerker auf die Prisen kamen, um bei der Reparatur der Takelage zu helfen. Ihr Sanitäter kam mit drei Schwerverwundeten auf die Freedom, weil sie dort seine Pflege brauchten. Karl und Adam berichteten über die Ladung ihrer Prisen: Pulver, Gewehre und Munition. Willkommene Beute für Washingtons Armee.
Aber dann kam die Überraschung von der erbeuteten Bark. Sven hatte erst gar nicht bemerkt, dass eine Frau im Boot saß, das von der Bark kam. Doch als sie an Bord stand und ihn anfuhr: »Was denken Sie sich, mich aus meiner Kajüte zu werfen, Sie Pirat!«, da sperrte er Mund und Nase auf.
Das war doch seine Sabrina! Aber nein, ihre Stimme klang anders, und sie hatte ein kleines Muttermal am Hals.
»Mein Gott! Wie
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