Sven Larsson Bd. 1 - Rebell unter Segeln
Ich würde mich sehr freuen, wenn wir gemeinsam speisen könnten.«
Sven war zunächst nicht so begeistert von dem Vorschlag. Er hatte sich auf die Unterhaltung mit den alten Kameraden eingestellt, aber dann dachte er daran, wie interessant Mr Gordon erzählen konnte. Wenn sein Korrespondenzfreund davon auch etwas darbieten könne, wäre ein unterhaltsamer Abend garantiert. Also sagte er auch im Namen seiner Offiziere zu.
Mr Gordon winkte zum Wagen und freute sich. »Wir sollen dort vorn links abbiegen, dann würden wir nach wenigen Schritten das Restaurant mit dem Posthorn sehen. Kommen Sie! Mr Talbot hat mir schon so viel von Charleston gezeigt. Das alte Pulvermagazin, die St. Andrews Parish Church, fast hundert Jahre alt, und ein Museum, das vor drei Jahren gegründet wurde. Der Mann ist ein Phänomen! Schon siebzig Jahre alt, körperlich etwas klapprig, aber geistig von einer Vitalität, dass man kaum mitkommt. Aber erleben Sie ihn selbst.«
Mr Talbot war ein mittelgroßer, dürrer Mann mit einem schlohweißen Haarkranz. Er strahlte, als sie in das Restaurant eintraten, und winkte ihnen zu.
»Kommen Sie, kommen Sie, meine Herren! Ich lade Sie herzlich ein, die Gaumenfreuden des Low Country zu genießen. So wunderbar schmeckt es nur an der Küste Süd-Karolinas.«
Er schüttelte allen die Hände und unterbrach seinen im etwas singenden Tonfall vorgetragenen Wortschwall nicht. Sie sollten sich überraschenlassen. Er habe schon alles bestellt. Zwischendurch forderte er sie auf, die Gläser zu heben. Ein Kellner hatte schon eingeschenkt.
»Ein herrlicher spanischer Wein«, versicherte Mr Talbot und hatte darin zumindest recht.
Dann servierten die Kellner »Creamy Crab Soup«, wie Mr Talbot ansagte.
»Vergessen Sie heute alles, was Sie an Vorurteilen der Seeleute über Fischspeisen gehört haben. Unsere Speisen sind ganz anders. Kosten Sie nur!«
Sven und seine Freunde mussten Mr Talbot recht geben. Abgestimmt mit schwarzem Pfeffer und Sherry schmeckte das Krabbenfleisch in der Suppe delikat. Sie lobten auch die »Low Country Seafood Casserole«, das »St. Andres Stew«, hinter dem sich köstlich gewürzte Hähnchenbrüste auf Kalbfleisch verbargen, »Lobster Savannah« und zum Schluss den »Blackberry Cobbler«, eine schmackhafte Süßspeise.
Mr Talbot hatte wenig gegessen. Er unterhielt sie ohne Pause. Kein Wunder, dass er so dürr ist, er findet ja keine Zeit zum Essen, dachte Sven, unterbrach aber selbst sein Essen, als Mr Talbot über einige Hintergrundinformationen zum Angriff auf Charleston plauderte.
»Die Briten hatten den Zeitpunkt nicht schlecht gewählt. Die Königstreuen warteten auf Waffen zum Losschlagen, und im Hinterland griffen die Cherokees unsere Siedlungen an. Charles Lee, der die Patrioten kommandierte, war denn auch dafür, das unfertige Fort auf Sullivan Island aufzugeben und alle Kräfte auf die Verteidigung von Charleston zu konzentrieren. Aber William Moultrie, der das Fort kommandierte, widersetzte sich. Der Mann ist stur wie ein Esel, sage ich Ihnen. Ich hab ihn als Kind auf den Knien gewiegt. Er konnte kaum laufen, da wollte er einen Taler, den er gefunden hatte, nicht hergeben. Das Kindermädchen befahl und drohte. Da hat er den Taler einfach verschluckt. Sie haben ihm Rizinusöl gegeben, damit der Taler nicht im Bauch stecken blieb. So ein Dickkopf ist das! Aber er hat den Briten widerstanden und ist jetzt der Held des Tages. Nun muss er Champagner schlucken, aber der schmeckt ja auch besser als Rizinus.«
Adam verschluckte sich am Essen, so musste er lachen. Mr Talbot würzte jeden Gang mit Erzählungen über die großen Familien von Charleston. Er schien alle von Kindheit an zu kennen.
Zwischendurch karikierte er eine Sitzung des Prisengerichtes und bemerkte auch während seines Vortrages, dass Sven ein böses Gesicht zog.
»Hatten Sie Ärger mit dem Prisengericht, Herr Kapitän?«
Sven berichtete über das Gespräch mit dem Agenten.
»Das kann nur Eduardo Tanini sein. Einwanderersohn, aber schon hier geboren. Seine Frau hat Drillinge bekommen. Nun braucht er eine Hilfe im Haushalt, und die Familie ist bettelarm. Das wird geregelt, Herr Kapitän! Der Eduardo ist sonst ein ehrlicher Junge. Sein Chef hätte ihm helfen müssen. Sie werden keinen Grund haben, Charleston in schlechter Erinnerung zu behalten, meine Herren.«
Nein, so versicherten sie sich, als sie spät und beschwingt an Bord gingen. Mr Talbot sei ein äußerst unterhaltsames Unikum und Charleston eine
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