Sven Larsson Bd. 1 - Rebell unter Segeln
merkten sie, dass nicht nur der Abzug der Briten gefeiert wurde. In großen Buchstaben meldeten Zeitungen die Erklärung der Unabhängigkeit der dreizehn amerikanischen Kolonien. Gestern habe ein Depeschenschoner die Nachricht gebracht. Am vierten Juli sei die Erklärung beschlossen worden.
»Sie haben Mr Jefferson und seinen Weggefährten zu Recht vertraut, Mr Gordon. Nun werden wir sehen, wie die Spanier und Franzosen reagieren.«
Es war an diesem Tag in Charleston schwer, Menschen zu finden, die ihrer alltäglichen Arbeit nachgehen wollten. Man konnte dagegen allenthalben hören, wie tapfer Oberst William Moultrie das Fort auf Sullivan Island verteidigt habe, wie knapp den Verteidigern die Kanonenkugeln geworden seien und wie stark Admiral Parkers Flaggschiff beschädigt wurde.
Andere wollten mit Sven immer wieder auf die neue Unabhängigkeit trinken.
»Lasst mich in Ruhe!«, knurrte er schließlich. »Praktisch hat sich doch überhaupt nichts geändert.«
Auch in der Firma, die die Interessen der Reederei Bradwick in Charleston wahrnahm, dauerte es geraume Zeit, bis der Schreiber den Büroleiter auftreiben konnte. Als er erschien, dienerte er und entschuldigte sich, als er Sven an seiner Uniform als Kapitän erkannte.
»Ich habe schon gehört, Sir, dass die Freedom mit zwei Prisen eingelaufen ist, aber ich dachte, Sir, Sie würden heute bei den Feiern nicht gestört werden wollen. Morgen hätte ich Sie aufgesucht, Sir.«
»Morgen will ich schon wieder auslaufen. Wir sind etwas in Eile. Darum muss ich Sie heute bitten, die Prisen beim Prisengericht anzumelden und den Verkauf zu betreuen. Ich habe die Papiere bei mir. Die Kapitäne sind in Obhut der Hafenbehörden und können befragt werden.«
Der Agent machte ein betretenes Gesicht. Sven wunderte sich, denn Anmeldung und Verkauf von Prisen brachte doch auch ihm einen guten Anteil.
»Was ist, mein Herr? Sind Prisen hier nicht willkommen?«
Der Agent wehrte ab. Natürlich seien sie willkommen. Es sei nur so, dass der Büroleiter des Prisengerichts jetzt immer eine gewisse Summe als Geschenk erwarte, damit er die Bearbeitung nicht auf ewig verschiebe. Und er habe dann das Problem, wie er das den Kapitänen in Rechnung stellen solle.
»Wollen Sie sagen, ein Gerichtsbeamter will bestochen werden?«, empörte sich Sven.
»So direkt fordert er das ja nicht, Herr Kapitän. Aber wenn ich nichts über den Tisch schiebe, landet unser Antrag immer am Ende der Liste.«
Sven konnte sich nur schwer beherrschen, musste aber schließlich einsehen, dass er gegen die Korruption kaum etwas unternehmen konnte, wenn er morgen schon wieder auslaufen wollte. Er verabredete mit dem Agenten eine erträgliche Summe, die nicht überschritten werden dürfe, und verabschiedete sich in wesentlich schlechterer Stimmung als bei seinem Eintritt.
Für den Abend hatte er mit seinen Steuerleuten und dem Bootsmann schon länger ein Essen geplant. Mr Gordon hatte er informiert, in welcher Straße, an welcher Ecke sie etwa ein Restaurant suchen würden. So genau erinnere er sich leider nicht mehr. Er könne ja zu ihnen stoßen. Mr Gordon hatte eingesehen, dass er die ältere Vereinbarung nicht umwerfen könne.
Aber als Sven jetzt mit Mr Selberg, Mr Bauer und Mr Borg die Straße entlangging, hatte er Mühe, sich zu erinnern. Manches hatte sich verändert. Aber vor allem wirkte die Szenerie mit den lachenden und frohen Menschen, die Fahnen schwenkten und sich zuprosteten, so ganz anders.
Sven und seine Freunde redeten sich in Gegenwart anderer immer mit »Sie« an. Das war auf Schiffen, in denen auf Disziplin geachtet wurde, eigentlich überall üblich. Das hinderte sie nicht, sich ungezwungen an ihren früheren Besuch in Charleston zu erinnern.
»Im Frühjahr siebzig hat uns Mr Borg die Stadt gezeigt. Es warmeine erste Reise. Und mich, den Neuling, haben dort hinten Straßenräuber überfallen. Die beiden Herren haben mich dann rausgehauen«, erzählte Sven Mr Selberg.
Der Obersteuermann war auch einmal in einem Hafenviertel überfallen worden und wollte gerade die Geschichte ausbreiten, als vor ihnen eine offene Kutsche hielt und ein Herr ihnen aus dem Fond zuwinkte. Dann stieg er aus, und sie erkannten Mr Gordon.
»Wie gut, dass ich Sie gefunden habe in diesem Gewimmel, meine Herren. Mr Talbot ist noch dort in der Kutsche. Er lädt uns alle zum Abendessen ein. Er ist ein reizender uralter Herr, der hier jeden kennt und unendlich viel über die Stadt erzählen kann.
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