Sven Larsson Bd. 4 - Auf zu neuen Horizonten: Roman
Sven und seiner Familie, als das Schiff Madras ansteuerte. Er sollte ihnen erste Erläuterungen geben, denn er war schon mehrmals in Madras gewesen.
Der Jamadar hatte in dieser kurzen Reise Sabrinas Bewunderung gewonnen. Er war immer höflich und respektvoll. »Ein Kavalier der alten Schule!«, bemerkte sie zu Sven. Einen sicheren Platz in ihrem Herzen hatte er am zweiten Tag der Fahrt gewonnen, als er anordnete, dass zwei Sepoys die Kinder nicht aus den Augen zu lassen hatten, wenn sie an Deck waren. Er argumentierte, dass die Aufsicht von Elizabeth und Hans Maier nicht ausreiche, da diese öfter mit den Kindern spielten und dann nicht alle im Auge hätten. Die Sepoys seien auch geübte Schwimmer und könnten die Kinder retten, wenn sie über Bord gespült würden.
Die Argumentation hatte auch Sven überzeugt. Nun hörte er dem Jamadar zu, der ihnen Fort St. George zeigte, mit dessen Bau die Portugiesen und Niederländer begonnen hatten, das aber die Briten erst zu seiner jetzt so imposanten Größe ausgeweitet hatten.
»Madras ist viel stärker als Pondichery durch die britische Ostindienkompanie geprägt worden. Sie finden hier nicht die schönen französischen Kolonialviertel, aber mehr Handelslager und Manufakturen. Madras ist bevölkerungsreicher und wirtschaftlich mächtiger.«
Als Sven und Karl Bauer etwas Zeit erübrigen konnten, ließen sie sich und die Familie vom Jamadar die Besonderheiten von Madras zeigen. Auf Wunsch des Jamadars wurden sie außer von Sam auch von zwei Sepoys begleitet, und Sabrina beobachtete mit Erstaunen, dass die Inder die Anordnungen der Sepoys wesentlich williger befolgten als die der Matrosen, die sie sonst begleiteten. Die Matrosen erlebten die Anwohner anscheinend zu oft als Betrunkene und Hurenjäger, um vor ihnen den Respekt zu haben, den sie den Sepoys als Soldaten zubilligten.
Zu ihrem Erstaunen sahen die Amerikaner auch die älteste protestantische Kirche Indiens, die im Jahre 1680 geweihte St Mary’s Church. Der Pfarrer war in der Kirche, interessierte sich sehr, als er hörte, dass sie aus Amerika kämen. Er lud sie für den Gottesdienst am Sonntag ein und erzählte ihnen, dass der Apostel Thomas hier im Jahre 58 nach Christi Geburt gestrandet und im Jahre 72 als Märtyrer getötet worden sei.
Sven war sehr beeindruckt, als sie weitergingen. »Da fahren wir mit unseren etwa zwei Jahrhunderten Geschichte in die Welt hinaus, nehmen an, dass wir hier nur auf primitive Völker treffen, die von uns lernen können, und dann erleben wir eine Kultur, die unsere um Jahrtausende überragt. Die Bevölkerung aber ist arm und muss vieles entbehren, was wir für ein menschliches Leben als notwendig erachten. Ich glaube, das liegt daran, dass sie Jahrtausende von Fürsten beherrscht wurde, die nur an ihre Herrschaft und ihren Reichtum dachten. Und jetzt kommen wir Weißen wieder als Eroberer und Ausbeuter. Wenn wir zurückkehren, werde ich in unserer Heimat noch entschiedener für die Herrschaft durch das Volk, also für die Demokratie, eintreten. Unser Volk soll nie so unterdrückt und ausgebeutet werden.«
Karl überlegte einen Moment, ehe er antwortete: »Deine Auffassung ehrt dich, Sven. Aber was willst du tun, wenn das Volk nicht durch äußere Macht, sondern durch den Reichtum Einzelner unterdrückt wird? Dafür ist auch unsere Volksherrschaft empfänglich. Erkennen wir nicht auch bei uns, dass manche Menschen durch Hungerlöhne unterdrückt und dann käuflich werden? Nicht Fürsten gefährden uns, sondern die Macht des Geldes.«
Erst am Abend setzte Sabrina die Diskussion fort, nachdem sie einige Stunden lang diese fremde wundersame Welt erlebt hatten. »Ich habe über eure Worte nachgedacht, lieber Sven und lieber Karl. Ich glaube, wir werden nie eine Gleichverteilung des Geldes unter den Menschen erreichen. Das wäre wohl auch nicht gerecht, da manche Menschen sich viel mehr Verdienste für die Gesellschaft erwerben. Denkt an eure Schiffe! Ist die Tätigkeit des Kapitäns nicht verantwortungs- und verdienstvoller als die des Matrosen? Und bereichern Erfinder, Gelehrte und Ärzte, wenn sie ihre Tätigkeit ernst nehmen, die Gesellschaft nicht mehr als Schuster oder Maurer? Wir müssen Einkommens- und Vermögensunterschiede akzeptieren, wenn sie die gesellschaftliche Bedeutung der Tätigkeit widerspiegeln, aber die, die mehr Geld haben, müssen auch opferbereit sein, um unverschuldete Armut und Not zu lindern. Und als Volk müssen wir unterdrückten Völkern
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