Sweet about me
ihre kurzen Röcke waren für mich der einzige Grund, mein warmes Bett zu verlassen. Doch an diesem Maimorgen versteckte sie ihre filmreifen Beine in einer Jeans, die blauen Augen hinter einer Sonnenbrille.
Ich zwängte mich zwischen zwei Schlafende auf den Rücksitz. Rechts neben mir unser Torwart, den der Trainer nach der Nachtschicht im Stahlwerk eingefangen hatte, links unser ehemaliger Torwart, der nach einer langen Pannenserie ins Mittelfeld strafversetzt worden war. Er roch nach Kneipe und Schlimmerem. Regina sorgte für Durchzug. Ich versuchte, ein Gespräch mit ihr anzufangen, aber meine Mitspieler erschwerten die Verständigung, indem sie schnarchten wie erkältete Nashörner. Der Trainer, auf dem Beifahrersitz über das Blatt mit der Mannschaftsaufstellung gebeugt, diskutierte mit sich über die richtige Strategie. Immer wieder lüftete er nervös seine Kappe. Ich hörte Regina beim Schweigen zu.
Bis zum Aschenplatz von Grenzwacht 08, der dicht an der belgischen Grenze lag, waren es siebzehn enttäuschende, qualvolle Kilometer. Endlich angekommen, lachte uns der gegnerische Platzwart aus. Das Spiel sei für vierzehn Uhr angesetzt, nicht für elf. » Nicht unser Fehler«, rief er. » Da hat einer von euch gepennt!«
Regina war schon zurückgefahren. Auch die Spielerfrau, die den Rest der Mannschaft in einem Kleinbus chauffiert hatte, war weg. Flüche und Rufe nach dem Schuldigen wurden laut.
Der Platzwart empfahl ein Lokal mit Namen Hirschburg. » Den Weg hier runter und dann links. Einen Sauerbraten machen die da, Weltrekord!«
» Mit Sauerbraten kannst du mich jagen«, sagte unser Trainer. » Aber ich hab Verwandtschaft hier. Dann fall ich denen eben bis kurz vor zwei zur Last.«
Bevor er sich mit weit ausholenden Schritten zu seinem Besuch aufmachte, äußerte er Zuversicht: » Jungens, glaubt an euch, die Punkte haben wir im Sack!« Und er gab ein paar Anweisungen – nur Mineralwasser; wenn Sauerbraten, dann nur eine kleine Portion; Warmlaufen und Schussübungen ab halb zwei, und kein Fraternisieren mit dem Gegner und seinem asozialen Anhang.
An den Wänden der Hirschburg hing ein Geweih neben dem anderen, die Beute eines Massenmörders. Sauerbratenduft machte sich breit wie Weihrauch in der Kirche. Der Frühschoppen war in vollem Gange. Die zechenden Grenzer musterten uns, als hätten wir eine kriegsauslösende Grenzverletzung begangen. Aber die Kellnerin war hübsch und handfest. Sie rückte zwei Tische zusammen, machte Platz für unsere Sporttaschen. » So«, sagte sie dann. » Was darf ich den Herren bringen?«
Um die zwanzigste Spielminute herum war unser Trainer von seiner harten Bank aufgestanden und seitdem nicht mehr gesehen worden. Die gegnerische Mannschaft, eine Mischung aus rotgesichtigen Bauern und derben Tretern mit der Statur von Türstehern und Metzgergesellen, kämpfte wie Partisanen gegen Besatzer. Sie und auch das knappe Dutzend Zuschauer knieten sich rein, als hätten wir ihre Biervorräte vernichtet, Konten geplündert, Frauen und Töchter geschändet. Wir dagegen litten nicht nur an der üblichen Konditionsschwäche, sondern auch unter Gleichgewichtsstörungen, Doppelsichtigkeit und permanentem Harndrang. Der gegnerische Torwart hätte den Nachmittag sinnvoller gestalten können. Kurz vor Abpfiff verließ er seinen Kasten, um auch ein Tor zu schießen, aus dem 19:0 ein 20:0 zu machen.
Ich erschrak, als mir der Ball vor die Füße fiel. 89 Minuten lang waren wir uns erfolgreich aus dem Weg gegangen. Da sah ich meinen zweiten Vater am Spielfeldrand stehen, Bierdose in der Hand, müdes Grinsen im Gesicht. 0:20 gegen mich, wie immer! Alles lief nach Plan. Aber dann traf ich den Ball mit der vereinten Wucht von Panik und zwei Promille. Er flog und flog, fünfzig, sechzig, fünfundsechzig Meter weit. Er landete im gegnerischen Strafraum, sprang ein paar Mal auf, kullerte und hoppelte schließlich wie von Geisterhand bewegt über die weiße Linie. Tor des Tages, des Monats, des Jahres! Und Karl-Heinz II ., dem die Bierdose aus der Hand gefallen war. Die Grenzwacht-Spieler knöpften sich ihren Torwart vor, ihr Trainer brach sich, wie wir später hörten, eine Zehe beim jähzornigen Tritt gegen eine Reklametafel. Ich wurde getragen von einem Hochgefühl auf den gefährlich schwankenden Schultern eines Mannschaftskameraden. »So was nennt man wohl einen Befreiungsschlag«, sagte unser plötzlich wieder aufgetauchter Trainer. Wir hatten natürlich keinen Sekt dabei, aber es gab ja
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