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Sweet about me

Sweet about me

Titel: Sweet about me Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Sous
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noch die Hirschburg …
    Tom unterbrach mich.
    » Nettes Geschichtchen«, sagte er und blätterte gelangweilt in der Stadionzeitung. » Aber was soll das Gefasel von dem zweiten Papi? Ach, egal«. Die gute Laune, in die ich mich hineingeredet hatte, zerbrach.
    Kurz vor der Halbzeitpause Elfmeter für die Gastmannschaft. Tom verzog leidenschaftslos den Mund.
    » Ich hol uns noch ’nen Glühwein«, sagte er.
    » Ausgerechnet jetzt?«, fragte ich.
    Tom grinste, anscheinend hatte ich etwas Dämliches gesagt.
    » Jetzt wollen doch alle den Elfer sehen, da ist der Andrang an der Bierbude nicht so groß«, antwortete er.
    » Klar, natürlich«, sagte ich.
    Schuss in die linke Ecke, der Torwart hatte auf die rechte spekuliert. Bierbecher, Feuerzeuge und Sitzkissen flogen auf den Platz. Dazu Nebel von Rauchbomben. Der Stadionsprecher appellierte an Ehre und Vernunft, drohte mit Abbruch. Polizisten im Laufschritt. Ordner reichten dem Schiedsrichter einen großen Regenschirm. Ein Weihnachtsmann stapfte zum Mittelkreis, wo er beruhigende Worte in ein knatterndes Mikrofon sprach. Wegen des Rauchs musste er husten. Schließlich sang er die Vereinshymne. Seine Gehilfen warfen Geschenke wie Handgranaten ins Publikum.
    Vier Reihen vor mir saß Frau Breuer. Neben ihr der Hippie, der schwarze Drummer, zwei Mädchen, die ich nicht kannte, und ein Begleiter, wahrscheinlich ein Zivi, der der Heimleiterin schöne Augen machte. Alle trugen schwarz-gelbe Mützen und Schals. Michelle war nicht dabei, sie interessierte sich nicht für Fußball.
    Dann war Tom zurück, ziemlich spät, die zweite Hälfte lief schon seit einer Viertelstunde. Er strahlte, als führte seine Mannschaft uneinholbar. » Hab Vanessa getroffen, ’ne frühere Freundin von mir. Die arbeitet in einer der Bierbuden. Na ja, das Wiedersehen musste begossen werden! Und das hier hat sie uns ausgegeben!« Unsicher jonglierte er ein Tablett mit vier Bechern. » Wodka mit Glühwein!«
    Ich griff gierig zu, verbrannte mir Zunge und Hals.
    » Dröhnt ganz schön, das Zeug, was!«, sagte Tom glücklich.
    Das 0:2 fiel.
    » Vanessa ist meine Ex«, sagte Tom. » Oder hab ich das schon gesagt?«
    » Wer?«, fragte ich.
    » Es wär schön gewesen mit uns, damals, hat Vanessa gesagt – he, wo willst du denn hin?«
    Mein Herz schlug. Die Zuschauer schrien die Insekten in meinen Ohren nieder. Ein Dicker rempelte mich an, ich schaffte es aber, den Glühwein unbeschadet bis zu Frau Breuer zu tragen.
    » Für Sie«, sagte ich und hielt ihr den Becher hin. » Tut gut bei der Kälte. Und wollen Sie sich die Sache nicht noch mal überlegen? Michelle fühlt sich doch sehr wohl bei uns! Das haben Sie neulich selbst gesagt!«
    Durch ein Lächeln versuchte ich wettzumachen, dass meine Zunge über die Wörter gestolpert war. Frau Breuer schaute angestrengt auf das Spielfeld.
    » Bitte«, sagte ich, Tränen schossen mir in die Augen. » Ich verspreche Ihnen auch, dass so was nie mehr passieren wird.«
    » Verschwinden Sie mit Ihrem furchtbaren Gesöff!«, sagte die Heimleiterin. » Und machen Sie eine Therapie!«
    Der Hippie und der schwarze Drummer lachten. Der Zivi kam auf mich zu und packte mich am Mantel. » Machst du Ärger?«, schrie er. » Machst du Ärger, du Heulsuse?«
    Leute, die ich nicht kannte, schüttelten und umarmten mich plötzlich, schrien mich freudig an. Offenbar war ein Tor für die Heimmannschaft gefallen. Ich weiß nicht mehr, ob es die Wut war oder ob ich das Gleichgewicht verlor, jedenfalls goss ich das heiße Getränk in Frau Breuers Gesicht.
    Lange nach dem Schlusspfiff, den wir nicht abgewartet hatten, landeten Tom und ich in einer verlebten, qualmigen Kneipe in der Nähe des Autostrichs. Flotte Theke hieß die. Wir setzten uns an einen rustikalen Tisch. Überrumpelt vom Alkohol, versank ich in einem Nebel aus obszönem Gelächter und Gebrüll. Es war drückend warm.
    » Ich trink sonst nie«, sagte Tom. » Hasse das eigentlich. Mein Alter hat immer gesoffen, dabei seinen Rock ’n’ Roll gehört. Wenn ich mich wegen dem Krach beschwerte, gab’s Prügel.«
    » Ich kenn das, das kenn ich auch!«, rief ich und legte eine Hand auf Toms Unterarm, drückte freundschaftlich zu.
    » War schon okay«, sagte Tom und schob meine Hand weg. » So hab ich früh gelernt, mir nichts gefallen zu lassen. Wer Krieg mit mir haben will, kann ihn gern haben.«
    Die Wirtin hatte eine Haut wie ein Brathähnchen und eine Vorliebe für deutsche Schlager aus der frühen Helmut-Schmidt-Ära.

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