Sweet about me
Plan.
» Satan wird uns holen«, sagte Paul. » Und dann müssen wir ewig brennen. Weißt du, wie weh das tut?«
Ich fragte: » Bin ich dein Freund – oder nicht?«
Obwohl sein Vater einen Vollbart trug, rochen er und sein Laden nach gruftigem Aftershave. Paul lenkte seinen Vater ab, indem er ihm seine Lateinarbeit zeigte, ihm einen Kugelschreiber reichte und ihn bat, seine Unterschrift unter die Note zu setzen. Zeit genug für mich, die BRAVO in meine Schultasche zu schieben.
Aber Pauls Vater war misstrauisch und hatte gute Augen. Ich würde nie erfahren, in welchem Schlamassel Ringo steckte. Der Ladenbesitzer schloss die Tür ab, damit keiner von uns abhauen konnte. Er ohrfeigte Paul viermal, wortlos, fast heiter, wie ein Arzt, der einem Kranken wehtun muss, um ihn zu heilen. Dann rief er die Polizei. Er verpfiff nicht nur mich, sondern auch seinen eigenen Sohn. Er forderte die Polizisten sogar auf, Paul mitzunehmen.
» Das ist doch alles erlogen«, sagte Betty. » Ein Glaubensbruder würde streng, aber nie so reagieren!«
» Glaubensbruder!«, sagte ich so verächtlich wie möglich.
Wir schwiegen. Ich unterdrückte ein Husten. Der Wecker tickte. In der Wohnung über uns bellte einer der Hunde kurz auf. Früher hatte Betty immer nackt geschlafen, egal zu welcher Jahreszeit.
» Hast du Gerster angerufen?«, fragte sie.
» Ich hab’s versucht, kann ihn aber nicht erreichen.«
» Du lügst doch schon wieder!«
Betty nahm ihr Kopfkissen und ihre Bettdecke. Türen schlagend verließ sie das Schlafzimmer.
Ich warf mich im Bett hin und her. Beide Hunde bellten jetzt ununterbrochen. Ich sprang aus dem Bett, zog Hemd und Hose an. Im Treppenhaus nichts Auffälliges. Ich lief barfuß hoch bis vor Frau Hauensteins Wohnungstür. Keine Flammen, kein Brandgeruch, nicht mal lautes Fernsehen, aber es stank wie in einem Raucherclub. Jemand hatte hundert oder mehr Zigarettenkippen und kalte Asche auf und neben Frau Hauensteins Fußmatte verstreut.
Am nächsten Vormittag war Frau Hauenstein angezogen wie für einen Gerichtstermin. Dunkler Hosenanzug mit Nadelstreifen, flache schwarze Schuhe. Blasser Lippenstift. Sie zitterte, als sie eine neue Zigarettenpackung aufriss, sich Feuer geben ließ. Cognac tropfte auf Tisch und Teppich, als sie unsere leeren Gläser wieder füllte. Frau Hauenstein wollte nichts wissen von dem Anschlag vor ihrer Wohnungstür. Sie hatte ein viel größeres Problem. Sie erwartete eine Pflegerin. Ihre Tochter hatte ihr das eingebrockt.
» Bin doch kein Pflegefall! Bin ich ein Pflegefall?«
Ich schüttelte den Kopf.
» Gaby ist ein bisschen jünger als du«, sagte Frau Hauenstein, während sie ihre Bestellungen aus zwei Taschen zerrte, Zigaretten, Toastbrot, Fernsehzeitung, Trüffelleberwurst, Ravioli, Pillen gegen Völlegefühl. Draußen wischte Regen den Schnee weg. Die Weihnachtsmarktbuden waren noch nicht geöffnet, aber Busse mit Tagestouristen verstopften schon die Straßen.
Frau Hauenstein unterbrach das Auspacken, wühlte nun in einer Schublade herum. Briefe, ein Seidenschal, Zigarettenasche fielen auf den Boden. Frau Hauenstein fluchte. Dann lachte sie plötzlich böse und präsentierte mir ein Foto.
» Hübsch, nicht?«
Ich nickte. Ein Hippie-Girl um die zwanzig, blondes, durchtrieben unschuldiges Lächeln. Die junge Jane Fonda.
» Abtreibung mit siebzehn«, sagte Frau Hauenstein. » Kurz darauf Rauschgift. Ich hatte die Polizei in der Wohnung. Die haben alles auseinandergenommen. Mein Sofa aufgeschlitzt, in meiner Unterwäsche gewühlt. Gaby ist von der Schule geflogen, ein Jahr vor dem Abitur. Ihr neuer Freund war zwanzig Jahre älter, dem gehörten ein roter Porsche und ein Bumslokal. Als der sie abservierte, ist sie nach Indien und Nepal. Ein einziger Anruf in zwei Jahren, aber nur, weil sie Geld für den Rückflug gebraucht hat.«
Frau Hauenstein hatte sich in Rage geredet. Sie inhalierte ein Drittel ihrer Zigarette, nahm einen kleinen Schluck Cognac.
» Bis dahin war Gaby ganz die Tochter ihres Vaters«, sagte sie.
» Charles, der mit dem Bass«, sagte ich.
» Quatsch«, sagte Frau Hauenstein und strafte mich mit einem Blick für Begriffsstutzige. » Doch nicht Charles, diese Niete – Chet!«
» Chet? Chet Baker?«, rief ich. » Aber neulich haben Sie doch gesagt –«
» Na und!« Frau Hauenstein kreischte fast. » Ist schließlich meine Privatsache!« Sie hustete. » Jedenfalls ist Gaby heute nicht mehr Chets Tochter, sondern in der FDP . Ihr Mann hat eine
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