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Sweet about me

Sweet about me

Titel: Sweet about me Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dietmar Sous
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Putzfirma. Hungerlöhne zahlt der. Jetzt will meine Tochter mich auch noch wegputzen, mich entmündigen lassen wie eine Irre!« Und dann, atemlos: » Aber die wird sich noch wundern. Ich hau ab nach Venedig!«
    Es läutete.
    » Aha«, rief Frau Hauenstein, » aha!«
    Beim dritten Versuch schaffte sie es, aus ihrem Sessel hochzukommen. Ihre nervösen Finger zerbröselten eine Zigarette. Auf halber Strecke zur Wohnungstür hielt sie inne. Sie warf ihren Stock weg, straffte sich. Sie ging weiter, ohne zu keuchen, mit kleinen, aber sicheren Schritten, beinahe leichtfüßig.
    Eine Frau mit einer leisen, angenehmen Stimme bat um Einlass. » Weg hier, Flittchen, weg!«, schrie Frau Hauenstein. Sie schlug die Tür zu, kam langsam wie eine Hundertjährige zu ihrem Sessel zurück. Sie wollte mir ihre neue Bestellliste reichen, aber ihre Hände zitterten so stark, dass ihr das Blatt Papier entglitt.
    Im Treppenhaus fahles Winterlicht. Heike drückte auf den Lichtschalter und kehrte angestrengt weiter. Ich steckte Frau Hauensteins Zettel in meine Hosentasche. Heike und ihr Besen versperrten mir den Weg.
    » Muss das eigentlich sein?«, sagte sie und sah an mir vorbei.
    » Was meinst du denn?«, fragte ich mit einem Vorgefühl von Atemnot.
    » Das weißt du ganz genau«, sagte Heike. Sie roch nach parfümiertem Waschmittel. » Und entschuldigt hast du dich auch noch nicht bei mir wegen der Sache mit den Hundehassern!«
    Da kam Tom die Treppe hoch. Er schleppte eine große Lautsprecherbox. » Hab mir ’ne Anlage gekauft. Secondhand, aber volle Power!«
    Ich quetschte mich an Heike und ihrem Besen vorbei. Jetzt war Tom das Hindernis. Er grinste breit. » Na, wie lange habt ihr beiden Turteltäubchen es denn noch getrieben?«
    » Getrieben? Wer?«, fragte ich blöde und spürte, wie ich rot wurde. Ich war froh, dass das Treppenhauslicht ausging. Tom in Gegenwart von Heike zu fragen, wie es denn so mit Bierbuden-Vanessa laufe, fehlte mir der Mut.
    Tom schaltete das Licht wieder ein. » Na, du und Gitta, vorgestern Nacht! Oder hast du ’nen Blackout vom Saufen?«
    Sein Kampfanzug roch immer noch nach der Flotten Theke.
    Dort hatte es Gitta, nachdem Tom abrupt verschwunden war, keine Minute länger ausgehalten. Wir fuhren in ihrem Mini Cooper zu einem Lokal in Silber und Schwarz, wo man nicht auf seine Schuhe pisste oder Konkurs für seine Leber anmeldete. Wir stellten uns an die Bar. Kaum hatte sich Gitta aus ihrem Mantel geschält, tänzelten, wirbelten, segelten gleich zwei Kellner um sie herum, außerdem ein hübscher Südländer, dreißig Jahre jünger als ich. Gitta verscheuchte sie wie Lakaien. Sie legte den Kopf schief, sah mich unbefangen an. Ihr Dekolleté war ein großes Versprechen. Sie roch nach Frühling, leicht orientalisch. Ich hätte gern an ihren zierlichen Ohrmuscheln gelutscht.
    » Stell dir vor, ich hab die Stelle in der Klinik!«, sagte sie.
    Ich nahm ihre Hand, streichelte sie. Ich dachte an das nackte Hüpfen und bestellte zwei Gläser Champagner. Ich hatte wieder Durst. Die Gläser waren schnell leer, meine Kopfschmerzen schrumpften von Elefanten- auf Mückengröße, meine Müdigkeit schlief ein. Gitta winkte nach einer ganzen Flasche, zur Feier des Tages. Sie fragte, was ich so mache. Ich erzählte ihr von meinen Treffen mit Chris de Burgh, Oasis, Iggy Pop und anderen aus dem Showgeschäft. Gitta staunte, lächelte, lachte, rieb sich amüsiert Tränen aus den Augen, bis ich mich fühlte wie der witzigste, schlagfertigste, geistreichste Mann Deutschlands, Europas, von der ganzen Welt.
    » Und was war dein blödestes Interview?«, fragte Gitta.
    » Das war vor zwei Monaten«, antwortete ich sofort, » an meinem Geburtstag. Kein Schwein ruft an, nur ein Versicherungsvertreter. Alles Gute zum Sechsundfünfzigsten und so weiter, blabla. Und dann fragt das Arschloch: ›Haben Sie eigentlich schon eine vernünftige Sterbeversicherung?‹«
    Gitta umarmte mich, um mich zu trösten. Dann steckte sie die Haare hoch, was sie noch jünger machte. Mit einer Haarnadel zwischen den Lippen fragte sie: » Und die Stones? Hast du die auch mal interviewt?«
    Ich ließ mir Zeit mit der Antwort, baute mit beiden Händen eine Pyramide, bevor ich antwortete: » Anfang der Neunziger hing ich eine ganze Woche mit Mick und Keith in New York rum. Eines Nachts waren wir im Village Vanguard, diesem Jazz-Club, 7. Straße, Greenwich Village, du weißt. Die stellen schon die Stühle auf die Tische, und da setz ich mich aus ’ner Laune

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