Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sydney Bridge Upside Down

Sydney Bridge Upside Down

Titel: Sydney Bridge Upside Down Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Ballantyne
Vom Netzwerk:
auch so erschüttert ist von Mr Wiggins Tod? Wen könnte es noch erschüttert haben? Caroline nicht, das war klar. Caroline erwähnt Mr Wiggins überhaupt nicht, sie hat ihn bestimmt längst vergessen. Sie redet eigentlich nur noch über Buster Kelly, auf ihn freut sie sich, auf ihn wartet sie gern. Wahrscheinlich liegt es auch ein wenig daran, dass ich so selten zu Hause bin. Wenn ich nicht in der Schule bin, bin ich meistens oben in der Höhle, oder unten am Fluss, allein, ich gehe an den Strand oder klettere auf einen Baum am Moor. Jetzt könnte ich es vielleicht schaffen, ich könnte zum Moor rennen. Ich drücke mich an die Mauer und schaue nach, Sam Phelps ist nicht zu sehen und Sydney Bridge Upside Down auch nicht, ich muss trotzdem damit rechnen, dass sie mir auflauern. Am sichersten ist es wohl, wenn ich weiter durch das Gras krieche, bis ich die Bäume erreiche. Dann kann ich am Flussufer entlanglaufen bis zum Moor, ich kann über die Planken durch das Moor laufen und bin schon zu Hause. Ich muss aber erst einmal aus diesem Hof gelangen, auf die Wiese, und zwar schnell und ohne dass es einer merkt. Ich kann mir Sam Phelps schon vorstellen, er steht bestimmt dort unten auf der Straße, und oben auf dem Hang, da wartet Sydney Bridge Upside Down. Sam Phelps wartet und sucht und lauscht, er tut, was sein Pferd nun tut, er kommt um mich aufzuscheuchen. Von beiden Seiten bewegen sie sich auf mich zu, es ist stockfinster, Sam Phelps rückt von der Straße an, und Sydney Bridge Upside Down rückt von oben an, und wenn ich jetzt nichts unternehme, haben sie mich gleich. Wenn ich jetzt losrenne, schaffe ich es bis zur Wiese, dann werfe ich mich ins Gras und krieche weg, bevor sie mich erwischen. Also, rennen. Ich renne los, ich schmeiße mich ins Gras, ich liege still und lausche. Die Frösche im Moor sind jetzt lauter, das Meer ist jetzt lauter. Die Brise hat auch zugenommen, die Fabrik schützt mich nicht mehr, ich höre, wie das Gras raschelt. Es sind jetzt viel mehr Wolken am Himmel, zwischen den Sternen, ich sehe mir an, wie sie auf den Mond zurollen, das ist gut, das bringt mir etwas Zeit. Ich kann es von der Wiese bis zu den Bäumen schaffen, bevor die Wolken den Mond wieder freigeben. Ich warte und lausche, die Wolken sind meine Verbündeten. Sind das Hufe? Ist das Schotter, der unter Stiefelsohlen knirscht? Wenn er jetzt kommt, wenn er hier ist, um mich aufzuscheuchen, wer steht dann eigentlich vor unserem Haus? Vielleicht ist es Mrs Kelly? Sie beobachtet mich nämlich auch. Nicht wie Sam Phelps, so nicht, sie starrt mich nicht so an, als wüsste sie etwas. Mrs Kelly sieht mich immer nur ganz grimmig an, wenn ich ihr über den Weg laufe, sie sagt kurz Hallo, mehr nicht, und geht weiter. Sie hat also auch keine Lust mehr, sich mit mir zu unterhalten, das war früher anders. Und die Zeiten, als sie mir Butterbrote schmierte, sind natürlich auch längst vorbei. Jetzt ist es Bruce Norman, der ihre Pflaumenmusschnitten isst. Soll mir egal sein. Mrs Kelly soll nicht glauben, dass ich mir etwas aus ihrem Pflaumenmus mache, ich komme auch so zurecht, ich brauche weder sie noch ihre Butterbrote. Ich brauche überhaupt niemanden. Würde mir denn jemand helfen, jetzt zum Beispiel? Nein. Ich liege im Gras und höre die Hufe, die Schritte, und niemand kommt mir zur Hil fe (Schreib das auch auf, Caroline. Papa liegt natürlich falsch, wenn er behauptet, dass ich mich praktisch nicht an die stinkende Überfahrt auf der Emma Cranwell erinnern kann. In meinem Gedächtnis steckt mehr als nur das, was er Jahre später darüber erzählt hat, das kannst du ruhig so sagen. Ich erinnere mich selbst daran, ganz genau, ich erinnere mich an den ganzen Ablauf, an jede Sekunde auf dem schwankenden Schiffsdeck, in der finsteren, stürmischen Nacht. Ich weiß noch, wie ich meinen Schlafanzug weggeworfen habe, ich habe auch den Gestank nicht vergessen, der uns einhüllte, als er mich zur Koje zurückbrachte. Ich erinnere mich, wie er mich wusch, wie das Wasser spritzte. Mir war schlecht, ich war schwach und voller Angst, aber ich weiß noch genau, was er damals gesagt hat: Warum ist sie nicht mitgekommen?, hat er gesagt. Warum macht sie so was? Es war, als würde er zu jemandem da draußen sprechen, draußen in der finsteren, schrecklichen Nacht, seine Stimme zitterte vor Zorn, und die Wellen krachten gegen das Bullauge, ich erinnere mich an seine Worte, ich habe ihn aber nie darauf angesprochen. Als wir wieder zu Hause waren, nur

Weitere Kostenlose Bücher