Sydney Bridge Upside Down
launisch sein?, dachte ich, als ich wieder auf der Straße war. Und warum duscht sie sich mitten am Tag, was soll das? Wenn wir sie stören, kann sie ja auch früher am Morgen duschen. Ich erzählte es Cal. Er fand auch, dass sie keinen Grund hatte, so schlecht gelaunt zu sein. Wenn sie jetzt duscht, dann ist Mr Dalloway wohl schon wieder weg, sagte er. Muss wohl, sagte ich. Ich fand nur komisch, dass er mir auf dem Weg zurück zum Haus nicht entgegengekommen war. Vielleicht ist er noch zu Mrs Kelly rüber, um mit ihr über Dibs zu sprechen, überlegte ich. Dibs hatte nämlich seit neuestem Schwierigkeiten mit Rechtschreibung. Weiter machte ich mir keine Gedanken darüber, dass Mutter so lange gebraucht hatte, bis sie an die Tür kam. Ich vergaß es, erst ein paar Monate später fiel es mir wieder ein), gleich, noch bevor ich den Fluss erreiche, geht das Gewitter los, es ist, als würde ich mich überhaupt nicht vom Fleck bewegen, dabei renne ich die ganze Zeit, ich sehe Bäume und wieder Bäume, ich spüre Äste, immer mehr Äste. Ich muss mal anhalten, ich kann nicht mehr, ich lehne mich an einen Baumstamm, halte mich daran fest, um nicht auf die Erde zu rutschen. Ich kriege kaum Luft, erst jetzt höre ich das Trappeln, er ist im Wald. Ich versuche nicht einmal, das andere Geräusch auszumachen, ich renne sofort weiter. Der Wind braust auf, immer stärker, immer wilder, die Bäume neigen sich über mir, Äste schlagen mir ins Gesicht. Und dann stehe ich plötzlich am Fluss. Ich höre die Strömung, ich sehe, wie das Wasser schwarz vorbeirauscht. Oben in den Hängen regnet es schon, es schüttet richtig, und zwar schon länger. Wahrscheinlich werden ganze Baumstämme fortgeschwemmt von dem reißenden Fluss, vielleicht sogar Leichen. Beim ersten Donner sehe ich auf. Das war’s mit dem Mond, denke ich, es geht los. Als mir der Regen ins Gesicht peitscht, wende ich mich ab. Haut ab!, rufe ich in den Wald, h aut ab, verzieht euch in euren Stall! Sie werden mich nicht hören, denke ich, ich höre mich ja nicht einmal selbst. Ich renne am Ufer entlang, den Wind im Rücken, ich bin so schnell, dass ich gleich stürzen werde oder im Fluss lande und von der Strömung aufs Meer hinausgetragen werde mit den Stämmen und Ästen. Jetzt hat es aufgehört zu donnern, dafür regnet es umso stärker, Schlamm spritzt mir in die Augen. Ich bleibe stehen, um sie mir mit dem Ärmel zu reiben, aus dem Wald hinter mir kommen scharfe, krachende Geräusche. Erst denke ich, das sind Pistolenschüsse, dann weiß ich, dass es Äste sind, die unter schweren Stiefeln krachend zerbrechen. Und jetzt höre ich auch wieder das Trappeln. Gleich brechen sie aus dem Wald heraus, der Mann und sein Pferd, sie werden mich am Ufer jagen. Wenn ich es nur bis zu dem Übergang schaffe, bin ich gerettet, kein Pferd wagt sich in das Moor hinein, und wenn ich die Planken wegziehe, kommt auch der Mann nicht hinterher. Nur ist es noch unglaublich weit bis zu dem Übergang, ich kann kaum die eigenen Füße sehen, so finster ist es, ich werde den Plankengang nicht sehen, ich muss es nach Gefühl machen, ich versuche, einen Haken zu schlagen, finde keinen Halt mit den Schuhen, ich schlittere und lande im Schlamm. Der Übergang muss hier irgendwo sein, irgendwo hier in der Nähe, es kann nicht weit sein, hier ist ja schon das Schilf. Ich rutsche die Böschung runter bis zum Rand des Moors, ich patsche durch das Wasser, mit jedem Schritt sinke ich tiefer ein. Endlich sehe ich den Übergang, die erste Planke. Sie scheint zu schwimmen, das Wasser steigt so schnell, dass sie bald nicht mehr zu sehen ist. Ich werde es nicht schaffen, niemals, ich schaffe es nicht bis zu den Planken (Und wenn du gerade dabei bist, liebste Caroline, dann schreibe auch noch auf, dass ich gesehen habe, wie meine Mutter Mr Dalloway geküsst hat), und sie sind mir auf den Fersen, ich weiß es, ich sehe mich nicht um und achte nicht mehr auf den Lärm, ich will nur noch diese Planke erreichen, bevor sie aufschwimmt und in dem peitschenden Schilf verschwindet, ich habe sie fest im Blick, ich lasse sie nicht los (Schreib es nur, liebste Caroline, dass ich es gesehen habe. Dass ich gesehen habe, wie sie ihn geküsst hat, ich stand auf dem Tankgestell, ich habe durch das Küchenfenster gesehen. Er hat ihren Kopf mit beiden Händen gefasst, seine Finger in ihren Haaren, er hat sie geküsst. Ich habe es gesehen, durchs Fenster. Ich habe auf dem Gestell gestanden. Ich habe gesehen, wie sie sich
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