Symbiose (Schicksal)
sich die Luft anfühlte. Mein Arm schwebte direkt darauf. Ich verstand nun, warum Lucia das die ganze Zeit machte. Dieses Gefühl überwältigte mich. Ich hatte den Drang, ich müsste losschreien. Der Welt mitteilen, wie glücklich ich heute war. Doch Fabienne war bereits eingedöst und deshalb kam nur ein freudiger Seufzer heraus. Lucia blicke einen Moment zu mir. Da begriff ich, dass Lucia genauso empfand. Ihre Augen waren voller Aufregung und Erwartungen. Sie leuchteten regelrecht. Dieses Gefühl würde sicher nicht ewig bleiben. So bald der Stress mit der Schule und dem Leben nur zu dritt anfangen würde, wäre dieser Moment wie weggeblasen. Doch bis dahin musste ich es ausnutzen.
Es kam mir komisch vor, ja sogar ein bisschen albern, dass ein Ort von dem ich überhaupt nichts wusste, mir so ein warmes Gefühl geben konnte.
Hier war es. Das Navi zeigte an, dass wir gleich links auf die Riverwalk Loop einbiegen müssen. Das war unsere neue Adresse. Das Haus am Ende des Bogens sah viel größer aus als auf dem Video. Ich erkannte es sofort. Dieser rustikale Stil mit den dunklen Holzbalken, die am Dach entlang führten. Ich konnte mir jetzt schon gut vorstellen, hier an einem freien Nachmittag zu gärtnern und die große Steinmauer mit Blumen zu verschönern. Vielleicht würde mir Lucia sogar dabei helfen. Sie hatte es eigentlich nicht so mit Blumen, aber hier würde sich vielleicht alles ändern. Die Steinmauer, an der Lucia und ich irgendwann einmal Blumen einpflanzen würden. Alles hier schrie direkt nach mir. Als ich in die Einfahrt fuhr, sah ich über das Lenkrad aus dem Fenster. Mein Gott, es war so viel größer als ich es mir gedacht hatte. Es hatte eine Menge Geld gekostet, aber da es fast mitten in der Stadt war, hatte ich es mir kleiner vorgestellt. Wahrscheinlich kam es mir auch nur so vor. Immerhin hatten wir in New York in einer drei Zimmer Wohnung gehaust.
Ich stieg als Erste aus. Lucia kramte noch nach dem Schlüssel in ihrer Handtasche. Wir hatten ihn per Post zugeschickt bekommen. Zuerst wollte ich Lucia den Schlüssel nicht geben. Denn ich hatte Angst, sie könnte ihn in ihrer riesigen Gucci-Tasche verlieren. Doch sie beharrte darauf. Und was Lucia will bekommt sie auch in den allermeisten Fällen. Ich wurde unruhig, je länger sie danach suchte. Ich ging zur Beifahrertür und klopfte an die Scheibe. Ganz vorsichtig, damit ich Fabienne nicht weckte. Als sie mich ansah war ich drauf und dran, sie zu erwürgen.
„Du hast ihn verloren nicht wahr?“ Sie gab mir mit einer Gestik zu verstehen, dass sie mich nicht hören konnte.
„Ich weiß, dass Du mich hören kannst Lucia.“ Klick. Sie hatte die Türe des Wagens zugesperrt. Ihr Fenster öffnete sich einen kleinen Spalt.
„Pst, sei bitte etwas leiser, Fabienne schläft“, sagte sie mit einer sanften und unschuldigen Stimme.
„Das glaube ich jetzt nicht. Lucia, wo zum Teufel ist der Schlüssel? Wir bekommen erst morgen die anderen beiden.“
Sie hob ihre Hand dicht an die Scheibe und ich sah es glitzern. Diese blöde Kuh hatte mich reingelegt. Lauthals fing sie an zu lachen.
Als sie anfing zu sprechen kam sie näher zu dem kleinen Spalt.
„Ich habe dich verascht. War witzig oder?“
„Warum kommst du nicht raus und ich zeige dir, wie witzig ich es fand?“ Ich zeigte ihr meine geballte Faust. Erst als ich ihr versichert hatte, dass ich ihr nichts antue, sperrte sie die Türe wieder auf und kam mit erhobenen Händen heraus. Als ich endlich den Schlüssel in der Hand hatte weckte ich Fabienne vorsichtig. Ich hätte ihr gerne den Weg erspart, doch dafür reichte meine Kraft nicht mehr aus. Sie war mittlerweile zu schwer um sie zu tragen. Das Gefühl das ich hatte, als ich die Türe aufsperrte, war unglaublich. Mit Fabienne an einer Hand und den Schlüssel in der anderen konnte es nicht besser werden.
Fabiennes Kopf war an meinem Arm angelehnt, bis ich sie auffordern musste, weiter zu gehen. Widerwillig setzte sie einen Fuß vor den anderen.
Das Video, das ich zuvor gesehen hatte, half mir mich zu orientieren. Oben waren die drei Schlafzimmer und eine Gästetoilette. Ich wollte zuerst alles ansehen. Doch nachdem Fabienne wieder die Augen geschlossen hatte, brachte ich sie gleich nach oben. Die Treppe war mitten vor der Tür, sodass sie es nicht mehr weit hatte. Ich hoffe inständig, dass ihr das neue Zimmer gefallen würde.
Als ich an der Treppe ankam zog ich meine schwarzen Ballerinas aus. Mir fiel ein, dass oben ein weißer
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