Symbiose (Schicksal)
selbst fahren möchtest. Das wird schon wieder.“ Ich nahm sie an die Hand und führte sie zum Auto. Sie war doch bereits mit Logan gefahren, doch bei mir schien sie ein Problem zu haben. Gut, ich war bisher auch nicht die perfekte Autofahrerin gewesen, doch von nun an würde sich das ändern. Wahrscheinlich würde es ewig dauern, bis sie wieder selbst fahren wollte oder besser gesagt, konnte. Also musste ich mich darauf einlassen. Als ich die Tür öffnete kam mir der Geruch von Leder entgegen und noch etwas anderes. Doch es war zu schwach, als das ich es zuerst erkennen konnte. Erst nachdem ich selber im Auto auf den dunkelbraunen Ledersitz Platz nahm, erkannte ich den Geruch. Es war Logans Duft. Sofort strahlte ich. Es war sein Auto und auf eine schräge Art und Weise beflügelte mich dieser Gedanke. Ich streifte mit meiner Fingerspitze das Lenkrad. Doch es reichte nur ein Blick zu Lucia und ich war wieder in der Realität. So sehr ich auch versuchte, das zu verdrängen.
Die ganze Fahrt über war Lucia still gewesen. Auf keine Frage hatte sie reagiert. Ich dachte zuerst, dass es vielleicht die Angst vor der Straße wäre. Doch dafür wirkte sie zu ruhig. Ohne sich zu bewegen starrte sie aus dem Fenster.
„Was ist los? Hast du Angst? Soll ich kurz mal anhalten?“
Wieder gab sie mir keine Antwort. Sie schüttelte nur leicht den Kopf. „Du bist so ruhig wie noch nie zuvor“, stellte ich fest.
„Ach, ich bin einfach nur müde.“ Sie gähnte, um ihre Aussage zu bestärken, doch ich nahm es ihr nicht ab. Trotzdem steckte mich ihr Gähnen an.
Doch bei dieser Ausrede beließ ich es nicht. Ich fragte immer wieder nach, bis Lucia endlich anfing zu erzählen, was sie beschäftigte.
Sie war fertig mit der Welt. Alles, was geschehen war, schien sie sich zum Vorwurf zu machen. Es nagte an ihr. Ich erzählte ihr von meinen neuen Erkenntnissen des Lebens. Lucia sah mich verwundert an. Es war offensichtlich, was sie dachte. Sie wollte wissen, woher ich auf einmal ein Verständnis für Fehler dieser Art hatte. Ich erzählte ihr, dass ich es endlich begriffen hatte und hoffte, sie würde es richtig verstehen. Es war an der Zeit, dass sie sich besser fühlte. Ich parkte das Auto und wollte gerade aussteigen als Lucia weiter sprach.
„Ich verstehe einfach nicht, wie sowas passieren konnte.“ Allem Anschein nach hatte sie es nicht verstanden.
„Also ich habe auch keine Ahnung, aber ich habe wenigstens was dabei gelernt.“ Empört sah mich Lucia an.
„Youna, ich kapier es einfach nicht, ich begreife nicht, wie es passiert ist. So was Schreckliches.“ Sie schüttelte den Kopf. Vielleicht war es für mich nicht so schlimm, da Fabienne am Leben war und ich nicht selbst gefahren bin. Doch für Lucia war die ganze Sache nicht so einfach vom Tisch.
„Verstehst du nicht? Ich hätte sie töten können. Wie hätte ich mir das jemals selbst verzeihen können? Wie kannst du so locker bleiben und mich nicht hassen? Ich tu‘s auf jeden Fall.“
„Sei nicht so streng mit dir, Lucia. Du wirst ja bald so wie ich“, scherzte ich.
„Wie kannst du immer noch Witze machen? Siehst du nicht, dass ich am Boden bin?“ Das war wie ein Schlag ins Gesicht. Natürlich sah ich es. Aber was hätte ich dagegen tun können? Einer von uns beiden musste doch schließlich den anderen aufmuntern. So hart es klingen mag, aber ich war froh, diejenige zu sein. Das erste Mal seit Langem.
So als hätte ich ihre Bemerkung nicht gehört fuhr ich fort. „Ich sehe es einfach so. Es ist nichts passiert und damit solltest du es nun endlich gut sein lassen, Lucia. Ich habe es dir schon mal gesagt, lass es endlich gut sein.“ Dann stieg ich aus. Doch Lucia folgte mir mit schnellen Schritten. Kurz bevor ich an der Haustür ankam packte mich Lucia mit ihrem gesunden Arm an der Schulter.
„Ich kann nicht. Ich kann es einfach nicht. Du hast sie nicht gesehen, wie sie da im Auto lag. Sie war voller Blut. Sie hatten sie raus geholt und schlugen auf ihre Brust ein bis der Notarzt kam. Ihre Hände waren leblos. Ich kann dieses Bild einfach nicht vergessen.“
Da brach sie endgültig zusammen. Sie lag mittlerweile am Boden und hielt ihre Knie mit den Händen fest zusammen. Ihr Gesicht tief in ihrem Schoss verdeckt weinte sie so bitterlich, dass mir die Tränen kamen. Ich beugte mich zu ihr, doch sie wehrte sich. Sie tat mir so schrecklich leid in diesem Moment. Meine Euphorie verschwand und ich setzte mich erschöpft neben sie. Wir saßen beide da.
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