Symbiose (Schicksal)
Mutterseelenallein und niemand in der Nähe, der uns trösten konnte. Wir hatten nur noch uns.
Als Lucia sich ein wenig beruhigt hatte sah sie rüber zu mir. „Es tut mir alles so unendlich leid.“
Doch ich konnte nichts sagen. Ich hatte erkannt, welchen Schmerz sie hatte. Es kostete mich eine Menge Kraft, zu ihr rüber zu sehen. Ohne ein weiteres Wort nahmen wir uns in den Arm.
Arm in Arm schliefen wir vor dem Fernseher ein. Zuerst hatten wir es in unseren jeweiligen Zimmern versucht. Doch als ich Lucia hörte, wie sie die Treppe runter ging, war ich ihr gefolgt. Ich streichelte ihren Kopf und sang ihr ein Lied vor, bis ich ihr leises und gleichmäßiges Atmen hörte. Il n'est pas grave pour moi, ce qui se passe autour de nous. Je t'aime ! ( Es ist mir egal, was um uns herum passiert. Ich liebe dich). Dann schlief ich ein.
Die Nacht verging zu schnell und meinem Spiegelbild war das scheinbar auch nicht entgangen. Ich erkannte mich darin kaum wieder. Dicke Augenringe hatten sich unter meinen Augen gebildet und meine Haare waren das reinste Chaos. Dafür war Lucia besser gelaunt als zuvor. Sie hatte einen geraden Gang und sich sogar frische Kleidung angezogen. Soweit ich es riechen konnte war sie sogar schon in der Küche gewesen um uns Kaffee zu kochen. Als ich die Küche betrat war sie gerade dabei, zwei Tassen mit ihrer gesunden Hand an den Küchentisch zu balancieren. Ich rannte hin um ihr eine abzunehmen. „Das schaffe ich schon“, protestierte sie. Sie schwang herum und verschüttete dabei ein paar Tropfen am Boden. „Das sehe ich.“ Bevor sie am Küchentisch ankam um die Tassen abzusetzen hatte ich das Missgeschick beseitigt. „Hey, ich werde Fabienne den neuen IPod kaufen. Es wird ihr sicherlich bald langweilig. Kommst du mit?“ Lucia nickte zwar, aber sie schien nicht richtig zuzuhören. Sie ging ins Wohnzimmer ohne etwas dazu zusagen. Ich folgte ihr und sah, dass sie das Telefon nahm und eine Nummer wählte. „Wir müssen in der Schule anrufen und Bescheid sagen, dass wir in der nächsten Zeit nicht kommen werden.“ Ich war erstaunt. Eigentlich waren solche Dinge immer meine Aufgabe. „Du brauchst gar nicht so überrascht schauen. Einer von uns muss sich ja um solche Dinge kümmern“, sagte sie spöttisch. Erleichert atmete ich auf. Es war schön sie so munter zu sehen. Unsere Aufgaben hatten sich mittlerweile total verschoben. Sie war die Vernünftige und ich der Spaßvogel. Ich musste kurz überlegen, ob das bei uns beiden jemals der Fall gewesen war. Nein, das war eigentlich zu schräg. Selbst in meiner verantwortungslosesten Zeit war ich immer noch ein Stück besser als Lucia.
„Das mach ich schon. Geh du und mach dich für unsere kleine Shoppingtour fertig.“ Ich nahm ihr das Telefon und schickte sie aus dem Raum. Es klingelte eine ganze Weile und als endlich jemand abnahm hatte ich ganz vergessen, warum und wo ich anrief. „Hallo?“
Ich stotterte vor mich hin als ich versuchte zu erklären, warum ich anrief. Die Frau musste glauben, ich sei dabei, mir eine Ausrede auszudenken.
„Hören Sie Mrs. Noelle, Sie sind erst seit kurzer Zeit an unsere Schule. Wollen Sie nun wirklich schon das Schwänzen anfangen?“
Überrascht musste ich erst einmal schlucken. Das hatte mir die Sprache verschlagen. Lucia griff über meine Schulter und hatte das Telefon in der Hand, bevor ich reagieren konnte.
„Hören Sie erst mal zu, was meine Freundin Ihnen zu sagen hat, bevor Sie irgendwelche Anschuldigungen machen.“
Die Frau am anderen Ende war sichtlich empört. Sie hatte keine Chance darauf zu reagieren. Da fing Lucia an noch lauter ins Telefon zu brüllen.
„Fabienne Noelle hatte vorgestern einen Unfall und liegt mit einem operierten Herzen im Krankenhaus. Wir kommen heute alle drei nicht. Ich denke, Sie verstehen das. Nicht wahr?“
Lucia zwinkerte mir verschwörerisch zu als sie der Dame zuhörte. „Ja, das habe ich mir gedacht.“ Wieder hörte sie zu. „Das werden wir. Danke.“ Dann legte sie auf. „Danke Lucia.“ „Nicht der Rede wert, wollen wir dann los?“
Wir ließen uns Zeit, denn im Krankenhaus galten strikte Regeln. Wir hatten sie schon ein paar Mal gebrochen. Doch nun, wo es Fabienne besser ging, dachten wir, es wäre nicht schlimm ein bisschen später zu kommen.
Während unserer Einkaufstour erzählte ich Lucia alles von Logan. Ich blühte richtig auf und für diese paar Minuten vergaßen wir beide, dass wir gerade richtig viele Schwierigkeiten hatten. „Ich habe
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