Symphonie der Herzen
grün-samtene Morgenmantel von James auffielen. Prüfend hielt sie einen Finger in die Wanne, entschied, dass die Temperatur genau richtig war, und drehte das Wasser ab. Erleichtert riss sie sich die rote Perücke vom Kopf, streifte ihre Kleider ab und glitt dann, mit einen Stückchen Sandelholzseife bewaffnet, in die heiße Badewanne. Ganze drei Mal musste sie sich das Gesicht abrubbeln, ehe die Fettschminke endlich vollends entfernt war. Anschließend wusch sie ihre Arme und ihre Beine und sang dabei das Titellied des Brigand; zwar war dies eigentlich eine männliche Rolle, doch Louisa war stolz, dass sie alle Rollen singen konnte.
Schließlich zog sie den Wannenstöpsel wieder heraus, stieg aus der Wanne und schnappte sich eines der dicken Handtücher. Statt jedoch gleich wieder in ihr Kleid zu schlüpfen, beschloss sie, einfach einmal kühn zu sein, und nahm sich kurzerhand James’ Morgenmantel. Ein kurzer Blick in den Spiegel verriet ihr, dass ihr Haar sich von der feuchten Luft im Badezimmer wieder einmal in dunkle Löckchen gelegt hatte, die nun zart ihr fein geschnittenes Gesicht umrahmten. Vor allem aber stellte sie mit Erleichterung fest, dass sie ohne die rote Perücke und die viele Fettschminke endlich wieder wie sie selbst aussah. Plötzlich wurde ihr bewusst, dass sie unter dem Morgenmantel ja vollkommen nackt war, und ihr Herz begann laut zu hämmern. Und beinahe wäre sie sogar wieder in ihr Kleid geschlüpft - doch irgendetwas hielt sie zurück.
Bin ich nun eine Schauspielerin oder bin ich es nicht?, schalt sie sich im Geiste, um sich gleich darauf selbst zu antworten: Natürlich bin ich das! Und heute Abend werde ich die Rolle meines Lebens spielen. Ich werde Kitty Kelly in ihre Schranken verweisen, und zwar nicht nur auf der Bühne! Heute bin ich diejenige, die wild und ungezügelt ist. Ein klein wenig selbstverliebt betrachtete Lu ihr verführerisches Spiegelbild.
Sie war noch immer erregt von ihrer Vorstellung im Covent Garden Theatre, und auch die euphorische Stimmung, die nach der geglückten Aufführung einsetzte, beherrschte unvermindert ihr ganzes Wesen. Louisa war an diesem Abend quasi die Verkörperung von Glück und Zuversicht, und so war es auch nicht verwunderlich, dass sie der anfänglich so gefürchteten Nacht mit James Hamilton nun ganz gelassen entgegenblickte. Mehr sogar noch: Sie betrachtete das Ganze mittlerweile als eine Art Herausforderung, als letzten Beweis ihres schauspielerischen Könnens. Dieses unbeschreibliche Glücksgefühl, das James ihr mit seinem Arrangement beschert hatte, war einfach grenzenlos. Und so war Louisa inzwischen auch tatsächlich willens, sich dafür ähnlich großzügig zu bedanken. Außerdem, so dachte sie, waren seine Küsse ja auch in der Tat durchaus verführerisch. Sicherlich, was nach diesen Küssen folgen würde, daran wagte sie im Augenblick nicht zu denken. Und trotzdem freute sie sich beinahe schon darauf, in der Annahme, dass eine Nacht mit ihm sie sicherlich ein für alle Mal von ihrer Naivität kurieren würde.
Langsam öffnete Louisa die Badezimmertür und nahm sofort einen köstlich-würzigen Duft wahr, bei dem es sich nur um Curry handeln konnte. Erst einen Augenblick später entdeckte sie Abercorn. Er hatte zwischenzeitlich sein Jackett sowie das elegante Halstuch abgelegt, und anerkennend stellte Louisa fest, dass seine gebräunte Haut und das schwarze Haar im Kontrast zu dem weißen Hemd nur noch attraktiver und exotischer wirkten. Doch auch James musterte sie mit glühendem Blick und erkannte natürlich sofort, dass sie seinen Morgenrock trug. Louisas Herz schien vor Aufregung einen winzigen Moment lang auszusetzen.
»Habt Ihr Hunger, Lu?«
Erst jetzt spürte Louisa, dass sie in der Tat kurz vorm Verhungern war. »Und wie!«, lachte sie.
Lässig ging er in das kleine Esszimmer hinüber, das an den formellen Salon angrenzte, wo in der Zwischenzeit irgendjemand daran gedacht haben musste, ihre Blumen ins Wasser zu stellen. Höflich zog James Lu den Stuhl heraus und drückte, als sie sich setzte, ganz unvermittelt einen kleinen Kuss auf ihren Scheitel. Dann schlenderte er, als ob nichts gewesen wäre, einmal um den Tisch herum und setzte sich genau ans andere Ende. Anschließend hob er die silbernen Glocken von den beiden silbernen Vorlegeplatten, und zum Vorschein kamen duftend gegrillte Rebhühnchen sowie eine Platte mit Curryreis und Esskastanien. Dazu reichte er Lu ein Glas feinsten Champagners.
»Das riecht ja
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