Symphonie der Herzen
inzwischen der Ansicht war, dass diese Stunden voller Ruhm den Preis in jedem Fall rechtfertigten.
Plötzlich hörte sie hinter sich ein dezentes Räuspern. Erstaunt schaute Louisa sich um, und ihr Blick fiel auf einen älteren Bühnenarbeiter, der leicht versteckt am linken Bühnenaufgang stand.
»Bitte vielmals ’m Entschuldigung, M’lord, M’lady«, nuschelte er. »Aber ich würd nu gern die Lichter ausmachen und abschließen.«
»Tut mir leid, Lady Lu«, sagte James achselzuckend. »Aber ich fürchte, Euer Auftritt am Covent Garden Theatre hat nun ein Ende.«
»Das braucht Euch nicht leidzutun, James«, lachte Louisa. »Ich werde diesen Augenblick der Magie auf ewig in meinem Herzen behalten.«
Nachdenklich verließen sie Seite an Seite das Theater, das mittlerweile in tiefe Dunkelheit gehüllt war, und schlenderten an den Blumenverkäufern von Covent Garden vorbei direkt auf Abercorns Equipage zu; Phineas wartete bereits pünktlich wie immer und am vereinbarten Treffpunkt auf seinen Herrn. Mit einer knappen kleinen Verbeugung öffnete James Louisa die Kutschentür und folgte ihr ins Innere, wobei er jedoch abermals ganz bewusst den Platz ihr gegenüber wählte; und zwar nicht zuletzt deshalb, weil er ihre strahlende Schönheit von dort aus besser bewundern konnte. Ihre Augen leuchteten wie Sterne, und um ihre Lippen spielte jenes feine
Lächeln, wie es sich zumeist nur dann einstellte, wenn einem gerade etwas ganz, ganz Kostbares widerfahren war.
»Zuerst hatte ich ganz fürchterliche Bauchschmerzen vor lauter Aufregung«, flüsterte sie. »Aber dann, kaum dass ich die Bühne betrat, waren sie plötzlich wieder verschwunden - dieser Augenblick war geradezu magisch.«
»Euer Auftritt war wirklich sehr professionell«, lobte James sie. »Verglichen mit Euch sahen die anderen Mädchen aus wie Anfängerinnen.«
»Ich habe wirklich jeden Moment genossen. Und den Applaus -nun, ich fürchte, den habe ich regelrecht in mich aufgesogen.«
Ernst sah James Louisa an. »Ihr habt den Applaus aber auch verdient.«
»Danke ... danke für Eure Komplimente und dafür, dass Ihr dies alles überhaupt erst möglich gemacht habt.«
»Ich freue mich, wenn Ihr Euch freut, Louisa.«
Rumpelnd und in rasantem Tempo überquerte die Kutsche die Kreuzung vom Piccadilly Circus. Fast schon glaubte Louisa, dass James ihr Versprechen vergessen hätte und sie nun doch direkt nach Hause begleiten würde. Dann aber, im allerletzten Moment, bog Phineas ab und brauste auf den beiden Außenrädern um die Kurve, ehe er die Pferde in der Half-Moon Street unmittelbar vor Abercorns Stadthaus zügelte.
Trotz ihrer Angst vor dem, was nun kommen würde, flüsterte Louisa kichernd: »Ist er etwa betrunken?«
»Das kann man nie wissen«, erwiderte James mit spitzbübischem Grinsen. »Er ist schließlich Ire.«
Schwungvoll sprang er aus der Kutsche heraus, um Louisa beim Aussteigen behilflich zu sein. Anschließend gingen sie Seite an Seite die Vordertreppe seines Hauses hinauf, James öffnete die Tür und ließ Louisa als Erste eintreten. Galant nahm er ihr den Umhang ab und hängte ihn über den Garderobenständer, während er raunte: »Nach Euch, Mylady.«
Louisa tat einen tiefen Atemzug, raffte dann aber doch ihre Röcke und stieg Stufe um Stufe die Treppe hinauf, dicht gefolgt von James. Unterdessen schien seine Nähe ihr den Atem zu rauben. Verunsichert legte sie die Hand an ihre heiße Wange und murmelte: »Ich trage ja noch immer mein Make-up.«
»Dann nehmt doch einfach ein kurzes Bad«, forderte James sie auf. »Phineas ist zwar gerade außer Haus, um uns ein kleines Abendessen zu besorgen, aber es wäre mir eine Ehre, wenn ich Euch die Wanne dafür einlassen dürfte.« Verschwörerisch blinzelte er ihr einmal zu und führte sie dann, ohne ihre Antwort abzuwarten, auch schon direkt ins Badezimmer. Rasch drehte er die beiden Wasserhähne auf, und schon füllte sich mit lautem Rauschen die von kleinen Löwenfüßen gestützte Wanne. »Bis Phineas wieder da ist, seid Ihr bestimmt fertig.« Damit drehte er sich schwungvoll um und verließ das Bad.
Nachdenklich starrte Louisa auf die geschlossene Tür. Er hat mir überhaupt keine Chance gelassen, seinen Vorschlag abzulehnen, grübelte sie. Andererseits: Warum sollte ich auch nicht ein Bad nehmen? Ein wenig heißes Wasser kann mir nun, nach der Vorstellung, gewiss nicht schaden.
Neugierig sah sie sich im Bad um, wobei ihr vor allem die vielen flauschigen Handtücher und der
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