Symphonie der Herzen
herauszufordern, und stürmte geradezu die Klippen hinunter. Laut johlend und kreischend vor Begeisterung machten die drei Brüder sich an seine Verfolgung, kamen aber nichtsdestotrotz erst ganze fünf Minuten nach James unten an. Keuchend wartete Abercorn derweil am Fuß der Klippen darauf, dass auch Lu und Georgy folgten.
Lachend und ungestüm wie ein Brauereipferd in vollem Galopp kam Georgy den steilen Weg hinabgepoltert, während sie die drohenden Gefahren und Stolperfallen gar nicht wahrzunehmen schien - Abercorn betete darum, dass sie nicht stürzen möge. Louisa dagegen schritt so leichtfüßig über den steinigen Pfad, als ob der Abstieg im Grunde ein Leichtes sei. Sie hatte eine solch ausgeprägte natürliche Anmut, dass sie James spontan an seine kostbare Araberstute erinnerte.
Derweil rissen sich die drei kleinen Teufel hinter seinem Rücken bereits die Kleidung vom Leibe und stürmten nackt in die Fluten. James hatte von vornherein geahnt, dass ihm das wohl nicht erspart bleiben würde. Auch er würde ein Bad in der Nordsee nehmen müssen; schließlich war er verantwortlich für die Sicherheit der drei. Dennoch wartete er, bis auch Lu und Georgy unten auf dem schmalen Strand angekommen waren, und zog sich derweil schon einmal Hemd und Schuhe aus. Kaum dass die beiden sicheren Boden unter den Füßen hatten, stürmte er dann auch schon über den feinen Kiessand und stürzte sich, nur noch mit seinen Kniebundhosen bekleidet, hinter Henry, Cosmo und Alexander in das kalte Wasser.
Lachend machte er bei den Spielen der drei Jungen mit, erfand selbst noch ein, zwei neue Spielregeln hinzu und hob Lus Brüder schließlich einen nach dem anderen hoch in die Luft und warf sie mit Schwung ins Wasser. Am Ende erlaubte er ihnen sogar, auf seine breiten Schultern zu klettern und von dort aus in die Fluten zu tauchen.
Louisa war ehrlich erstaunt, wie gelassen und gut gelaunt James mit ihren Brüdern spielte. Sie streifte ihre Schuhe und ihre Strümpfe ab, um ebenfalls bis zu den Waden durch das frisch-kühle Wasser zu waten, während sie weiterhin den Jungen bei ihren Wasserspielen zusah. Georgy dagegen wandte sich von ihrer Schwester ab und unternahm ein anstrengendes Rennen den Strand entlang.
Nach etwa einer Stunde hatten die Jungen keine Lust mehr und kamen fröstelnd aus dem Wasser, um rasch wieder in ihre Kleider zu schlüpfen. Die Nordsee war kalt, sogar im August.
James, der noch immer bis zur Hüfte im Wasser stand, schaute Louisa herausfordernd an: »Wollt Ihr denn nicht reinkommen?«
Lu aber schüttelte den Kopf. »Nein. Ich kann nicht schwimmen.«
»Ihr könnt nicht schwimmen?«, hakte James ungläubig nach. »Aber warum das denn nicht? Ihr habt doch einen See in Woburn.«
»Ja, aber Ihr habt die drei Wilden ja eben selbst erlebt. Und jedes Mal, wenn ich mich in den See gewagt habe, haben sie mich sofort unter Wasser gedrückt. Glaubt mir, ich hatte schon ein ums andere Mal befürchtet, dass ich überhaupt nicht mehr auftauchen würde. Und Edward, Charles und Jack sind sogar noch schlimmer gewesen als Cosmo und Henry.«
James’ Herz krampfte sich schmerzhaft zusammen, so unschuldig und schutzlos sah Louisa in diesem Augenblick aus. »Irgendwann, Lady Lu«, versprach er, »bringe ich Euch das Schwimmen bei. Und dann könnt Ihr Euch darauf verlassen, dass keine Monster unter der Wasseroberfläche lauern werden.«
Etwas irritiert blickte Louisa auf seine nackte Brust. »Ist Euch eigentlich gar nicht kalt?«
»Nein, ich habe Glück. Ich spüre die Kälte für gewöhnlich kaum.« Rasch warf er sich sein Hemd über und schlüpfte in seine Schuhe.
»James, jetzt kommt schon!«, riefen da auch schon die Jungen im Chor.
»Sieht so aus, als ob sie zurück zum Haus wollten. Aber Ihr seid jetzt sicherlich auch ein wenig durchgefroren, nicht wahr, Lady
Lu?«
»Von mir aus können wir ruhig wieder nach Hause gehen. Übrigens werden die drei Euch von heute an schier vergöttern. Sie sind in einem Alter, in dem man sie noch sehr leicht beeindrucken
kann.«
James grinste. »Nur schade, dass das bei Euch nicht mehr
wirkt.«
»Da kommt Georgy!«, wechselte Louisa rasch das Thema. »Heute scheint sie wohl gar nichts bremsen zu können.«
Die Jungen waren die Klippen schon wieder halb hinaufgeklettert, als die Schwestern sich schließlich ebenfalls an den Aufstieg machten. Dieses Mal ging James ganz bewusst hinter ihnen, für den Fall, dass eine von ihnen stolpern sollte. Kurz bevor sie das Plateau
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