Symphonie der Herzen
erreichten, strauchelte Georgy, fand dann aber zum Glück rasch das Gleichgewicht wieder. James hatte für einen Moment erschrocken die Luft angehalten; nun atmete er wieder etwas ruhiger.
»Georgy, auf deinem Kleid ist Blut«, bemerkte Louisa. »Wirklich?«, fragte Georgy hoffnungsfroh. Dann aber spürte sie, wie ihre Knie zu stechen begannen, hob ihren Rock und sah, dass sie sich bei ihrem kleinen Sturz die Haut aufgeschürft hatte. Sie seufzte schwer, während ihre Hoffnungen abermals zerstoben.
16
Ich wünschte, Ihr würdet mit uns nach The Doune kommen, James.« Fast schon wehmütig schaute Henry Russell seinen Helden an. »Ihr seid doch nun der Anführer unserer Bande.«
Auch Abercorn schien die Trennung von den drei Jungs ein klein wenig schwerzufallen. »Glaub mir, auch ich wünschte, ich könnte mit euch kommen. Aber ich habe hier in Edinburgh noch ein paar geschäftliche Dinge zu erledigen. Doch ich sage dir etwas: Dafür bist du von nun an der Anführer!«
Die Russells hatten die Nacht im Stadthaus der Familie verbracht, das nun Georginas Bruder George gehörte, dem Herzog von Gordon. Und natürlich hatte die Herzogin darauf bestanden, dass Abercorn auch nach ihrer Abreise unbedingt dort wohnen bleiben müsse und nicht in ein Hotel umziehen dürfe, während er seinen Geschäften in Edinburgh nachging.
Galant wie immer war James den Damen nun dabei behilflich, in die Kutsche zu steigen, und winkte ihnen lächelnd hinterher. »Wir sehen uns dann im Oktober in London wieder.« Natürlich hatte er seine Worte nur ganz generell an die gesamte Familie gerichtet, Louisa aber wusste, dass er damit speziell sie angesprochen hatte.
Kaum dass die Russells schließlich in The Doune angelangt waren, begann man auch schon mit Begeisterung, sich den zahlreichen Zerstreuungsmöglichkeiten zu widmen, die dieses Anwesen bot. Man angelte in der Spey, ging in dem uralten kaledonischen Wald jagen und unternahm Ausritte über die zerklüfteten Bergpfade der Cairngorms. Zudem besuchte man George Gordon und dessen Frau, die zurzeit in ihrem kleinen Landhaus nahe Kinrara
Urlaub machten, beziehungsweise empfing sie bei sich zu Besuch. Und gegen Ende August war es dann so weit, dass auch Edward Ellice und seine Frau Hannah sich zu ihnen gesellten, nachdem sie das anvisierte Grundstück gleich neben The Doune gekauft hatten. Vor allem aber ließ Georgina es sich nicht nehmen, jede Woche einen kleinen Ball zu veranstalten, zu dem sie traditionellerweise vor allem Fiedler und Dudelsackspieler engagierte, die wiederum in erster Linie Reels und Strathspeys spielten. Im Übrigen lud sie nicht nur ihre adligen Nachbarn zu den Tanzabenden ein, sondern auch deren Diener und Pagen.
Georgy hingegen schmollte unentwegt; sie war enttäuscht, dass Charles Bennet ihrer Einladung nicht gefolgt war. Nach einer Weile ging ihre Betrübnis dann in eine Art stille Hoffnungslosigkeit über, bis sie schließlich in einer tiefen Schwermut versank. Denn Schottland, und daran konnte auch Georgys Zweckoptimismus nichts ändern, war so ziemlich der letzte Ort auf der gesamten Welt, an dem sie nun noch eine Chance hätte, rasch einen Ehemann zu finden. Und so weigerte sie sich irgendwann rigoros, Louisa noch länger bei deren Ausritten zu begleiten, und auch an den diversen Aktivitäten ihrer Brüder nahm sie nicht mehr teil. Sie wollte einfach nur noch allein sein. Zudem litt sie unter immer wiederkehrendem Erbrechen, wie zumindest Louisa durchaus bemerkte; vor ihrer Mutter und dem Rest der Familie hielt Georgy ihre Unpässlichkeit jedoch weiterhin und mit Erfolg geheim.
Alles in allem zog sie sich also mehr und mehr in sich selbst zurück, wurde immer blasser und versank schließlich in einer tiefen Depression. Louisa war außer sich vor Sorge um ihre Schwester.
In Edinburgh konsultierte James Hamilton derweil nicht weniger als ein halbes Dutzend Notare. Schließlich übergab er sein Anliegen Angus Murray, dem Geschäftsführer einer alteingesessenen Anwaltskanzlei, die sich auf Erbrecht spezialisiert hatte.
»Ich habe in Irland einige sehr kompetente Anwälte, die sich um
die Verwaltung meiner dortigen Anwesen kümmern. In Schottland dagegen habe ich bislang leider noch niemanden gefunden, der sich meiner hiesigen Liegenschaften annimmt; allesamt Besitztümer, die ich von meinem Großvater, dem Marquis von Abercorn, geerbt habe.«
»Es wäre mir eine Ehre, für Euch tätig werden zu dürfen, Lord Paisley.«
James lächelte. »Ich sehe schon,
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