Symphonie der Herzen
entleert. Und sie machte sich auch noch immer große Sorgen um ihre Schwester. Denn obgleich Georgianna kein Fieber hatte und auch keinen Ausschlag, so war sie doch nach wie vor auffällig blass und teilnahmslos. Und natürlich übergab sie sich auch noch regelmäßig.
»Du solltest lieber einmal versuchen, etwas zu essen. Gibt es irgendetwas, worauf du besonderen Appetit hast?«
»Auf jeden Fall schon einmal keinen Schinken ... Und auch sonst kein Fleisch. Allein der Geruch verursacht mir Übelkeit.«
»Wie wäre es dann mit einem pochierten Ei oder einem Hörnchen mit etwas Honig?«
»Von mir aus. Ich kann es ja mal versuchen.« Georgy hatte in letzter Zeit ganz bewusst weniger gegessen, denn sie wollte auf keinen Fall zunehmen. Das Letzte, was sie jetzt gebrauchen konnte, waren irgendwelche Kommentare über ihre Figur.
Gehorsam ging Louisa hinab in die Küche, wo sie zu ihrer Überraschung auf ihre Mutter traf. Normalerweise schlief Georgina um diese Zeit noch, da sie Nacht für Nacht an Georgys Bett wachte. »Ich denke, wir haben Grund zu der Annahme, dass es ihr besser geht. Verschlechtert hat sich ihr Zustand jedenfalls nicht. Und sie will auch schon wieder etwas Nahrung zu sich nehmen.«
»Ja, und die Nacht über hat sie auch gut durchgeschlafen. Ich schätze mal, auch das ist ein gutes Zeichen. Sieht ganz so aus, als ob sie sich langsam wieder erholt. Nur ihre Teilnahmslosigkeit macht mir noch immer Sorgen ... Aber vielleicht wird sich auch das geben, wenn sie sich erst einmal richtig ausgeschlafen hat.« Mit einem Mal hob Georgina den Kopf und schaute aus dem Fenster. »Verdammt aber auch! Da ist gerade eine Kutsche vorgefahren. Bitte geh raus, Liebes, und sieh nach, wer das ist. Ich bin jetzt wirklich nicht in der Verfassung, Besucher zu empfangen. Außerdem habe ich noch das gleiche Kleid an wie gestern.«
Neugierig schlüpfte Louisa hinaus und lief zu den Ställen hinüber, wo die Kutsche gehalten hatte. Plötzlich öffnete sich die Kutschentür und heraus kam ausgerechnet die Person, mit der sie in diesem Augenblick am wenigstens gerechnet hatte: Abercorn.
»Louisa! Gott sei Dank, dass es Euch wieder besser geht.« Mit wenigen großen Schritten marschierte er auf sie zu und schloss sie in die Arme.
Lu erschauerte, als er sie an seine muskulöse Brust presste; sie hatte ganz vergessen, wie attraktiv dieser irische Marquis doch war. Und überhaupt verzauberte seine Nähe sie geradezu, seine Ausstrahlung war einfach magisch, ja, regelrecht bezwingend.
Schließlich aber besann sie sich und kämpfte sich aus seiner Umarmung heraus; nur widerwillig ließ er sie los. »Was macht Ihr denn hier?«, keuchte sie. »Und sowieso: Mir geht es gut. Georgy ist diejenige, die krank ist. Sie liegt im Bett.«
»Euer Vater hatte mir einen Brief hinterlassen, und darin stand, dass eine seiner Töchter Typhus habe. Allerdings hat er nicht gesagt, welche Tochter - aber das ist ja jetzt auch vollkommen nebensächlich. Denn wenn Eure Schwester Typhus hat, dann seid natürlich auch Ihr in Gefahr.«
»Aber ich konnte Georgy und Mutter doch nicht alleinlassen.«
»Natürlich nicht«, räumte James ein. »Eure Mutter ist bestimmt außer sich vor Sorge.«
»Sie versucht natürlich, den Mut zu bewahren. Außerdem geht es Georgy auch schon wieder etwas besser.«
»Das freut mich zu hören. Wirklich.« Langsam ging er zurück in den Stall. »Die Pferde sind erschöpft. Wir sind die ganze Nacht hindurch gefahren.«
»Ich kann Euch aber trotzdem nicht hereinlassen, Abercorn.« Angstvoll schaute Louisa zu ihm empor. »The Doune steht unter Quarantäne.«
»Unsinn. Wenn Ihr willens seid, das Infektionsrisiko auf Euch zu nehmen, dann bin ich es auch, liebste Lu.« Zügig befahl er dem Kutscher, die Pferde auszuspannen und in die Boxen zu führen.
Verdutzt schaute Georgina die beiden an, als Lu und James wenig später das Haus betraten. »James, das ist im Augenblick, glaube ich, ein ganz schlechter Zeitpunkt, um uns einen Besuch abzustatten. Obgleich ich natürlich verstehe, dass Ihr Euch Sorgen um Louisa gemacht habt. Wirklich, es ist eine sehr galante Geste, dass Ihr hergekommen seid.« Nervös strich sie sich übers Haar. »Aber jetzt, da
Ihr nun einmal da seid, gehe ich wohl besser rasch nach oben und ziehe mir etwas anderes an. Ihr bleibt doch sicherlich zum Essen, nicht wahr? Hier zu übernachten kann ich Euch leider nicht erlauben. Das wäre doch gar zu verantwortungslos. Louisa, nach dem Essen wirst du mit James
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