Symphonie der Herzen
doch auch, dass die Krankheit hochgradig ansteckend ist, nicht wahr?«
»Sagen wir mal so: Es wäre für alle besser, wenn Lady Georgianna vorerst von den anderen Familienmitgliedern isoliert würde.«
Sorgenvoll rang Georgina die Hände. »Das muss ich sofort ihrem Vater erzählen. Und Ihr bleibt über Nacht hier, Doktor. Untersucht sie morgen am besten noch einmal; vielleicht lässt sich ja dann noch Genaueres sagen.«
»Gerne, Euer Hoheit. Vielen Dank. Sie sollte in jedem Fall im Bett bleiben und viel trinken. Und es wäre gut, wenn eine der Küchenmägde ihr einen Gerstensaft zubereiten könnte, damit ich ihr einen fiebersenkenden Extrakt unterrühren kann.«
Aufgeregt kam Georgina in die Bibliothek gestürmt. »John, wusstest du, dass im Norden von England und Schottland eine Cholera-Epidemie wütet?«
»Gütiger Gott, nein. Georgy hat doch wohl hoffentlich nicht die Cholera?«
»Nein, nein. Dr. Nicol hält das für unwahrscheinlich. Aber er glaubt, dass sie Typhus hat, was ja wohl, nach allem, was ich weiß, fast genauso schlimm ist. Morgen früh will er Georgy noch einmal untersuchen, um sich seiner Diagnose sicher zu sein. Auf jeden Fall werde ich die Bediensteten anweisen, die Sachen der Kinder zusammenzupacken. Nur vorsichtshalber. Obwohl, wenn ich es mir recht überlege, dann wäre es mir doch eigentlich das Liebste, du würdest gleich morgen mit ihnen nach Woburn Abbey abreisen. Wir haben ja schließlich auch schon Mitte September. Mehr als ein, zwei Wochen wären wir mit ihnen doch ohnehin nicht mehr hiergeblieben.«
»Aber ich kann dich doch nicht hier mit Georgy alleinlassen.«
»Und ich möchte nicht, dass auch noch die anderen krank werden. John, Typhus kann einen sehr ernsten Verlauf nehmen. Außerdem bin ich es ja bereits gewohnt, unsere Kinder zu pflegen, wenn sie krank sind. Du dagegen hast darin leider so gar keine Erfahrung. Also glaube mir: Besser, ihr seid in Sicherheit, als dass noch irgendeiner sich ansteckt.«
Angespannt lauschten die Mädchen im Obergeschoss auf das hektische Hin und Her der Bediensteten. »Geh mal runter und frag, was der Doktor gesagt hat«, befahl Georgy Louisa. »Aber komm gleich wieder zurück.«
Louisa eilte hinunter zu ihrer Mutter. »Was hat der Doktor denn gesagt?«
»Er vermutet, dass es Typhus ist. Also packe bitte deine Sachen, Liebes. Typhus ist hochgradig ansteckend, und darum wird euer Vater euch morgen alle mit nach Hause nehmen.«
»Nein ... Ich verlasse Georgy nicht.« Louisa hatte echte Gewissensbisse, weil sie ihrer Mutter nicht schon eher erzählt hatte, dass Georgy sich ständig übergab. Besorgt kaute sie auf ihrer Unterlippe. »Und ich dachte«, platzte es schließlich aus ihr heraus, »dass sie bloß ein bisschen niedergedrückt wäre, weil Teddy Fox ihr keinen Antrag gemacht hat.«
»Ich fürchte, die Lage ist erheblich ernster.« Liebevoll nahm Georgina Rachel, die zwischenzeitlich zu weinen begonnen hatte, auf den Arm. »Louisa, geh bitte in die Küche und sag den Mädchen, sie sollen einen Gerstensaft ansetzen.« Mit zärtlicher Geste strich sie Rachel eine feuerrote Locke aus der Stirn. »Und wir, meine Kleine, sammeln jetzt als Erstes mal deine Spielsachen auf.«
»Louisa!«, rief Georgy. »Du musst aber dabei sein, wenn der Doktor mich noch einmal untersucht.«
Es war gerade erst sieben Uhr morgens, doch Louisa war bereits hellwach und komplett angezogen, sodass sie gehorsam in das angrenzende Schlafzimmer geeilt kam. »Du hast die ganze Nacht über tief und fest geschlafen, Georgy. Das ist ja schon einmal ein gutes Zeichen. Wie fühlst du dich denn?«
»Furchtbar!« Und das stimmte sogar, denn Georgy hatte solche Angst, dass sie kaum zu atmen wagte. Außerdem war sie sich noch immer nicht sicher, ob sie wirklich schwanger war, weil ihr Bauch noch immer ganz flach war. Trotzdem fürchtete sie, dass der Arzt vielleicht zu dem Ergebnis kommen könnte, dass sie ein Kind erwartete. »Da! Ich höre sie schon. Mutter und der Doktor kommen.« Ihr Puls beschleunigte sich, und in ihren Ohren rauschte das Blut.
Mit ernster Miene ergriff Dr. Nicol ihre Hand und legte die Fingerspitzen auf ihr Handgelenk. »Ihr Puls geht sehr schnell, und ihre Wangen sind gerötet«, erklärte er schließlich an die Herzogin gewandt.
»Und meine Ohren tun mir weh!«
Der Doktor nickte, nahm ein längliches Instrument aus seiner Tasche und schaute einmal in beide Ohren. »Ein Hörsturz ist oftmals ein erstes Anzeichen für Typhus. Wir können nur
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