Symphonie der Herzen
nach Kinrara hinüberreiten. Mein Bruder George wird unseren Gast sicherlich gerne bei sich aufnehmen.« »Ich danke Euch vielmals, Euer Hoheit.«
»Außerdem wird es Louisa nicht schaden, wenn auch sie etwas anderes sieht als bloß das Krankenzimmer. Louisa ist ja selber schon ganz blass und erschöpft.«
Amüsiert schaute James zu Lu hinüber und gab sich Mühe, sich seine Belustigung nicht anmerken zu lassen. Denn Louisa war alles andere als »blass«; genau genommen hatte sie sogar eine ausgesprochen gesunde Gesichtsfarbe.
Während des Essens bewahrte Louisa größtenteils Schweigen und überließ James und Georgina die Konversation. Sie wusste ja, dass sowohl ihre Mutter als auch ihr Vater sehr viel für James übrighatten und nichts lieber sähen, als dass dieser ihr Schwiegersohn würde - eine Vorstellung, die Lu bereits wieder in Angst und Schrecken versetzte. Hastig verbannte sie die sorgenvollen Gedanken, während sie sich im Stillen selbst beruhigte: Mutter würde mich ja ohnehin nie in eine Ehe drängen.
Nach dem Essen ging Louisa auf ihr Zimmer, um ihr Reitkostüm anzuziehen.
»Louisa!«, rief Georgy sie sofort zu sich. »Ich habe vorhin eine Kutsche vorfahren gehört. Wer ist es?«
Wahrscheinlich hofft sie, dass es Lord Ossulston ist, dachte Louisa bang und entgegnete leise: »Es ist leider nur James Hamilton.« Enttäuscht schaute Georgy ihre Schwester an.
»Er ist gekommen, um zu hören, wie es dir geht«, versuchte Lu, sie aufzumuntern, »und -«
»Nein, ist er nicht«, fuhr Georgianna ihr über den Mund. »Der kann mich doch überhaupt nicht leiden. Der ist bloß gekommen,
um sich davon zu überzeugen, dass es nicht die elfengleiche Louisa Russell erwischt hat. Deine Jungfräulichkeit scheint ihn magisch
anzuziehen!«
»Oh nein, da täuschst du dich«, platzte es aus Louisa heraus. »Denn als ich ihm meine Jungfräulichkeit einmal angeboten habe, hat er sie schlichtweg abgelehnt.«
Georgy verschlug es die Sprache, und mit offenem Mund starrte sie ihre Schwester an.
»Sucht Euch einfach ein Pferd aus«, bot Louisa ihm an, während sie für sich selbst einen trittsicheren Cob sattelte.
»Dann nehme ich den Grauen«, beschloss James mit Kennermiene und hob dem groß gewachsenen Tier seinen Sattel auf den Rücken. Anschließend holte er seine Reisetasche aus der Kutsche und verteilte seine Kleidung und Toilettenartikel auf die beiden Satteltaschen. Schweigend folgte Louisa ihm aus dem Stall und blieb für einen Moment stehen, um ihn zu beobachten, während er sich in den Sattel schwang. Wenn Abercorn ritt, dann schienen das Pferd und er regelrecht miteinander zu verschmelzen. Fast schon glaubte Louisa dann einen Zentaur vor sich zu sehen.
Und sowieso war Louisa insgeheim doch sehr geschmeichelt, dass er den ganzen weiten Weg nach The Doune auf sich genommen hatte, nur weil er dachte, dass sie krank wäre. Dieser junge Adlige besaß tatsächlich alles, was man sich bei einem Mann nur wünschen konnte: Er war charmant und gut aussehend, besaß Persönlichkeit, Reichtum und einen Titel. Kurz gesagt: Er war perfekt. Und genau darin lag das Problem.
Ich muss mich unbedingt vorsehen, um nicht seinem unwiderstehlichen Charme zu erliegen. Er hat mir ja schon einmal einen Antrag gemacht - und dennoch möchte ich lieber nicht seine Frau werden. Ich möchte niemandes Frau sein.
Denn kaum dass man zur Ehefrau avanciert war, das hatte Lu ja bereits gelernt, wurde man meist auch sehr schnell Mutter. Und
die Vorstellung, Mutter zu werden, machte ihr noch immer eine Höllenangst. Darum hatte sie mit der Zeit eine Art eisernen Panzer rund um ihr Herz erschaffen, und bislang hatte den auch noch niemand wirklich durchdrungen. James Hamilton hingegen, so befürchtete Louisa, wäre imstande, sich schließlich doch noch unter die schützende Rüstung zu schmuggeln, und dann wäre sie verloren. Dann würde er sehen, wie verletzlich sie in Wahrheit war, und sie wäre ihm schutzlos ausgeliefert.
Seite an Seite ritten sie den gewundenen Bergpfad entlang, bis sie an einer kleinen Lichtung in dem dichten Kiefernwald angelangten und sich ihnen mit einem Mal eine berauschende Aussicht bot. James zügelte sein Pferd und blieb einen Moment stehen, während er die Schönheit des glitzernden Sees und die majestätischen, heidebewachsenen Berge betrachtete, die sich sanft zum Wasser hinabschwangen, um sich dort in ihrer ganzen Pracht in den kristallklaren Fluten zu spiegeln. Um das Bild abzurunden, erstreckte sich
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