Symphonie der Herzen
Vertrag also genau so auf, wie ich es Euch eben vorgegeben habe. Ich akzeptiere nicht einen Penny weniger. Außerdem werde ich das Geld, das Lady Louisa dann jährlich von ihrem Vater erhält, natürlich nicht ausgeben, sondern es für sie in einem Fonds anlegen. Aber dass müssen weder Woodfine noch Lady Louisa wissen. Schreibt das also auf gar keinen Fall in den Vertrag.«
Schwungvoll erhob James sich und öffnete die Tür. »Ihr könnt jetzt wieder hereinkommen, Woodfine.« Ernst schaute Johns Anwalt die drei Männer an, während James sich auch schon verabschiedete. »So, ich denke, das wäre es dann wohl für heute, nicht wahr? Ich werde jetzt nach Aberdeenshire abreisen, um dort meine Mutter zu besuchen. Bevor ich nach London zurückkehre, schaue ich aber auf jeden Fall noch einmal hier vorbei, um dann hoffentlich meine Unterschrift unter den Ehevertrag setzen zu können. Ich danke Euch allen für die vorzügliche Zusammenarbeit.«
20
Genau so hatte ich mir das vorgestellt.« Bewundernd drehte Louisa sich vor dem Standspiegel hin und her und betrachtete ihr smaragdgrünes Kleid. Einer der Salons in John Russells Haus am Belgrave Square war vorübergehend in ein Nähzimmer umgewandelt worden, und überall hingen neue Kleider oder lagen kostbare Stoffballen. Entzückt hob Louisa den Saum ihres Kleides, woraufhin ein türkisfarbener Spitzenunterrock sichtbar wurde. »Was für ein grandioser Kontrast. Hervorragend!«
»Ich hatte ja keine Ahnung, was für einen ausgefallenen Geschmack du hast ...« murmelte Georgina und untersuchte eingehend ein mandarinfarbenes Kleid, das Louisa zum Spazierengehen tragen wollte. »Und wie sieht der Unterrock für dieses Kleid aus?«
»Zitronengelb, natürlich.«
Unterdessen summte Georgy leise die Melodie von Oranges and Lemons.
»Hör auf, dich über mich lustig zu machen«, quittierte Louisa Georgys Spott über ihre neue Vorliebe für leuchtende Farben. »Ihr könnt euch ja gar nicht vorstellen, wie froh ich bin, endlich nicht mehr diese geistlosen Debütantinnenkleider tragen zu müssen. Einer der Vorteile daran, eine verheiratete Frau zu sein, ist es immerhin, dass ich von nun an selbst über meine Garderobe bestimmen kann.« Obgleich ich mir ziemlich sicher bin, grummelte sie im Stillen, dass das wohl auch so ziemlich das einzige Vergnügen sein wird, das mir als Ehefrau noch bleibt.
»Haltet den Wagen an!« Behände sprang James in seinem schweren wollenen Übermantel aus der Kutsche - er befand sich gerade auf der Fahrt durch das majestätische Grampiangebirge - und kletterte spontan neben seinen Kutscher auf den Bock und anschließend weiter auf das Kutschendach. Von dort aus betrachtete er, breitbeinig und die Hände in die Hüften gestützt, die ihn umgebende Natur.
»Seht mal, dort drüben!«, rief er und zeigte auf ein Steinhaus, das im ziselierten Stil eines kleinen Schlösschens erbaut worden war. »Nach genau so etwas habe ich schon die ganze Zeit gesucht.« Mit ausholender Geste deutete er auf das atemberaubende Panorama. »Und da hinten, der See mit den beiden Wasserfällen! Noch nie in meinem Leben habe ich etwas so Schönes gesehen.«
Die Anmut und die Schönheit der Natur schienen ihn schier zu überwältigen, und wie so oft, wenn Abercorn etwas sah, das ihn faszinierte, verspürte er den Impuls, es besitzen zu wollen.
Mutig sprang er wieder zurück auf den Boden, um in seiner Karte nachzuschlagen, wo genau sie sich im Augenblick befanden, und stellte fest, dass das längliche Gewässer mit den beiden Wasserfällen den Namen Loch Laggan trug. Rasch machte James sich ein paar flüchtige Notizen, ehe er den Kutscher bat, weiterzufahren.
Insgesamt dauerte die Fahrt bis nach Aberdeenshire mehr als zwei Tage, denn hier, ganz im Norden des Landes, hatte der Winter die Natur noch immer fest Griff, obgleich es bereits April war. Nachdenklich betrachtete James die zahlreichen Schafe und die klein gewachsenen Rinder mit den winzigen Hörnern, die sich zum Schutz gegen Wind und Wetter dicht zusammengedrängt hinter den Berghängen versteckten oder aber träge über die Hügelketten zogen. Und mit einem Mal musste er wieder an Aberdeen denken, der immerhin verantwortlich dafür war, dass all die Menschen, die hier einst gelebt hatten, das Land hatten verlassen müssen - um Platz zu schaffen für noch mehr Nutztiere. Der altbekannte Zorn auf Aberdeen allerdings blieb diesmal aus. Stattdessen empfand er nur noch
Verachtung für jenen Mann, der, ohne mit der
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