Symphonie der Herzen
»James wird heiraten! Er ist extra hergekommen, um es mir zu sagen. Er hat Lady Louisa Russell, der Tochter des Herzogs und der Herzogin von Bedford, einen Antrag gemacht, und sie hat Ja gesagt.«
»Nun, dann muss ich dir wohl gratulieren, mein Lieber«, spottete Aberdeen. »Dann heiratest du ja jetzt quasi in die höchsten Kreise der Gesellschaft ein. Zu schade nur, dass die Russells so eingefleischte Whigs sind. Die Liberalen unseres Landes haben nämlich erst kürzlich eine schmähliche Niederlage erlitten. Aber davon weißt du ja noch nichts, oder?« Sein Grinsen war so breit, dass es sein Gesicht geradezu in zwei Hälften zu zerschneiden schien, ehe er mit donnernder Stimme fortfuhr: »Die Gesetzesreform ist gescheitert! Wellington und ich haben uns dafür eingesetzt, dass die Torys dieses seltsame Vorhaben ablehnen, sodass Premierminister Grey am Ende gar keine andere Wahl blieb, als das Ding abzuschmettern.«
James war derart perplex, dass es ihm für einen Augenblick die Sprache verschlug. Kein Wunder, dass Ihr ausseht, als ob ihr gerade eine fette Ratte verdrückt hättet!, grollte er im Stillen. Ich hoffe bloß, der Herzog von Bedford und Lord John wissen irgendwie mit dieser Niederlage umzugehen. »Dann hat König William Wellington wahrscheinlich auch bereits dazu aufgefordert, eine neue Regierung zu bilden, nicht wahr?«
»Oh ja, das hat er. Und darum muss ich auch schnellstmöglich wieder zurück nach London. Die Torys werden schon bald wieder an der Macht sein, und ich bekomme in Kürze meinen alten Posten als Außenminister wieder. Gott, was ich da noch alles vorbereiten muss!«
Noch in derselben Nacht packte auch James seine Taschen. Als Erstes wollte er seine geschäftlichen Angelegenheiten in Edinburgh regeln, und dann wollte auch er auf dem kürzesten Weg nach London zurückkehren. Denn obgleich auch er ein Tory war, so hatte er sich doch mit Leib und Seele für die Gesetzesreform eingesetzt. Seiner Meinung nach hätte man sogar schon vor Jahren einen Schlussstrich unter den noch immer allgegenwärtigen Wahlbetrug ziehen müssen; doch wie es schien, blieb dieser weiterhin fester Bestandteil der englischen Politik.
Er wartete bewusst einen Moment ab, an dem seine Mutter und er einmal unter vier Augen waren, um sich von ihr zu verabschieden. »Du weißt selbst, wie gerne ich dich jetzt mit nach Stanmore nehmen würde. Aber so wie es im Moment aussieht, glaube ich, wäre die Reise wohl zu anstrengend für dich.«
»Ja«, seufzte Harriet. »Ich habe nicht mehr viel Kraft. Und wenn ich mich nun auch noch auf eine so lange Reise begeben müsste -ich fürchte, das würde ich nicht überleben.«
James musste schwer schlucken, als er seine Mutter in einer liebevollen Umarmung an sich zog. »Aber versprich mir, dass du Haddo House trotz allem erst dann wieder verlässt, wenn du dich auch wirklich stark genug dazu fühlst. Die Hochzeit kann im Zweifelsfall warten.«
»Im ganzen Land sind Aufstände ausgebrochen«, informierte Bedford seine Gäste. »Und in Bristol wurde gar das Rathaus in Brand gesteckt.« Er hatte den Grafen Grey, Lord Holland und seinen Sohn, Lord John, in sein Haus am Belgrave Square zum Dinner geladen, um mit ihnen die verheerende politische Lage zu besprechen.
»Und auch in Nottingham wurde öffentliches und privates Eigentum zerstört«, pflichtete Lord Holland ihm bei.
»Und nicht wenige der Landeigentümer aus dem Mittelstand verlangen plötzlich, ebenfalls als Stimmberechtigte zugelassen zu werden«, warf Johnny ein. »Sie sind die Korruption und die Manipulation in der Regierung restlos leid.«
»Im Übrigen munkelt man, dass Wellington offenbar massive Schwierigkeiten hat, eine funktionstüchtige Regierung zusammenzustellen. Obwohl auch ich, zugegebenermaßen, mit dem König zurzeit auf Kriegsfuß stehe.« Neugierig blickte Lord Holland zum Herzog hinüber. »Aber Ihr kommt offenbar immer noch gut aus mit unserem lieben William, nicht wahr, Bedford?«
»Ich habe eine Idee!«, mischte die Herzogin sich plötzlich ein und legte Messer und Gabel nieder. Erwartungsvoll schaute Louisa ihre Mutter an. »Wenn, wie Ihr sagt, in Nottingham gerade die Aufständischen wüten, dann ist der Leidtragende davon doch in erster Linie der Herzog von Devonshire. Immerhin ist es seine Grafschaft, die gerade zerstört wird. Ich bin mir also sicher, mein lieber John, es dürfte dir keine große Mühe bereiten, ihn dazu zu überreden, gemeinsam mit dir beim König
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