Symphonie der Herzen
du doch bereits ganz fantastische Fortschritte gemacht hast, nicht wahr?«
Versonnen lächelte er sie an. »Nichtsdestotrotz wird deine Zukunft so oder so nicht von Francis’ Wohlwollen abhängen, mein Kind. Denn für dich wird dein Ehemann sorgen, so viel ist gewiss. Und damit du auch einen wirklich vermögenden Kandidaten an Land ziehst, habe ich für dich schon vor geraumer Zeit eine Mitgift von fünftausend Pfund zurücklegen lassen. Es wird also nicht mehr lange dauern, und die Verehrer werden bei dir Schlange stehen. Im Übrigen kannst du beruhigt sein, dass wir für dich sowieso nur eine Ehe mit einem wirklich einflussreichen Mann - am besten einem aus dem Hochadel - in Betracht ziehen werden.«
»Aber ich will doch noch gar nicht heiraten! Nein, wirklich nicht. Ein Leben als Ehefrau und Mutter entspricht so gar nicht meinen Vorstellungen. Und dann die ganzen Kinder ...« Denn obgleich Louisa ihren Vater von Herzen liebte, so war es in ihren Augen doch eine maßlose Unverschämtheit von ihm gewesen, seiner Frau gleich zehn Kinder zu schenken - zusätzlich zu den drei Jungen, die er mit in die Ehe gebracht hatte.
Doch in Johns Augen blitzte es bloß amüsiert; er nahm Lus Einwände gar nicht ernst. »Wie du meinst, meine Liebe. Dann mach dir aber auch bewusst, dass es gewiss kein Zuckerschlecken wird, eines Tages als einzige noch unvermählte Frau der Familie von der Gnade deiner Brüder abhängig zu sein. Da macht es doch schon mehr Spaß, selbst ein ansehnliches Anwesen zu haben und darauf schalten und walten zu können, wie es dir gefällt.«
In diesem Moment kam Mr Burke, Woburn Abbeys Butler, in die Bibliothek getreten, um dem Herzog ins Obergeschoss hinaufzuhelfen, wo dieser sich für das Abendessen umziehen würde. Und auch Louisa verließ die Bibliothek wieder, wobei sie diesmal jedoch gleich durch eine der hohen Doppeltüren auf die Veranda hinaustrat, um von dort aus zu der romantischen kleinen Grotte hinunterzuschlendern, deren Wände über und über mit Muscheln besetzt waren. Nachdenklich ließ sie sich neben dem glitzernden Schwimmteich nieder und dachte über die niederschmetternden Neuigkeiten nach, die sie soeben von ihrem Vater erfahren hatte.
In Louisas Vorstellung war die Ehe nämlich zwangsläufig auch mit einer ganzen Schar von Kindern verbunden, und schon mehrfach hatte sie ihre Mutter danach gefragt, wie es war, ein Kind auf die Welt zu bringen. Doch Georgina hatte immer nur gesagt, dass Louisa sich nicht zu sorgen brauche und dass es ganz natürlich für eine Frau sei, Kinder zu gebären. An Louisas Ängsten hatte diese Aussage jedoch überhaupt nichts geändert. Im Gegenteil. Eigentlich hatte sie nun nur noch mehr Angst vor der Ehe und allem, was damit verbunden war. Denn nicht immer verlief eine Geburt glatt, und manchmal passierte sogar das Unsägliche, nämlich dass ein Kind tot auf die Welt kam; dieses schreckliche Schicksal war ihrer Mutter ja bereits selbst einmal widerfahren. Und so fürchtete Louisa sich, dass das Gleiche womöglich auch ihr passieren könnte, was ihre Angst vor dem Heiraten im Allgemeinen nur noch förderte.
Louisa erschauderte, als sie sich an den immer wiederkehrenden Albtraum erinnerte, den sie seit ihrer Kindheit hatte: Seit sie ein kleines Mädchen war, hatte sie immer wieder davon geträumt, dass ihre Mutter plötzlich in einem blutdurchtränkten Kleid vor ihr stände. Mit den Jahren wandelte sich dieser Traum, und sie sah nicht mehr ihre Mutter vor sich, sondern sich selbst, wie sie in einem blutbesudelten Nachthemd vor dem Spiegel stand. Schließlich hatte sie im vergangenen Jahr endlich den Mut aufgebracht, ihre Mutter einmal zu fragen, ob diese jemals eine Fehlgeburt gehabt habe.
»Ja«, hatte Georgina leise geantwortet. »Wir waren damals im Garten gewesen und hatten Blumen gepflückt. Es geschah ganz unvermittelt und ohne jede Vorwarnung. Ich weiß noch, wie ich dich losschickte, um Hilfe zu holen. Aber du kannst dich bestimmt nicht mehr daran erinnern. Du warst ja damals erst drei.«
»Was für Blumen waren das denn, die wir damals gepflückt haben?«
»Lupinen, mein Liebes.«
Mit einem Mal wurde Louisa jäh aus ihren düsteren Gedanken gerissen, als unmittelbar vor ihr Georgy im gestreckten Galopp durch das Gebüsch geprescht kam. Als sie Louisa sah, zügelte sie ihr Pferd, und gemeinsam gingen Lu und Georgy zum Haus zurück.
»Wusstest du, dass wir in unserem Leben nur ein Haus haben werden, in dem wir uns wirklich sicher fühlen
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