Symphonie der Herzen
Wir wollen ja schließlich nicht, dass sie sich von ihrem Ehemann vernachlässigt fühlt.«
»So ist es«, nickte Louisa knapp und wandte sich, kaum dass William den Salon verlassen hatte, ihrer Mutter zu. »Bessy sagt, du hättest nur deswegen Angst, dass Vater stirbt, weil Francis dann alles erbt und wir quasi auf der Straße stehen.« Unumwunden berichtete sie ihrer Mutter von Elizabeths Boshaftigkeiten.
»Das wundert mich überhaupt nicht«, seufzte ihre Mutter und warf verzweifelt die Hände in die Luft. »Diese verquere Person braucht bloß den Mund aufzumachen, und schon kommt nur Unsinn dabei heraus. In jedem Fall habe ich euren Vater gepflegt, weil ich ihn liebe, und nicht aus irgendwelchen subsidiären Gründen. Und ich bin überglücklich, dass er schon wieder so weit genesen ist. Nichtsdestotrotz hat Bessy recht, wenn sie behauptet, dass nach Vaters Tod alles an Francis fällt: das Herzogtum, der Titel und natürlich Woburn Abbey.«
»Und wenn schon. Ich hätte besser schweigen sollen. Es war unklug von mir, dir brühwarm weiterzuerzählen, was Bessy gesagt hat. Ich wollte dich nicht aufregen.«
»Ach, Lu, Bessy hat schon viel Schlimmeres zu mir gesagt. Sie ist geradezu besessen von William. Und sie ist eifersüchtig, dass er sich noch immer so gut mit mir, seiner Stiefmutter, versteht. Aber lange wird sie nicht mehr bleiben. Ihr Londoner Stadthaus wird schon bald fertig sein, das verspreche ich dir.«
Georginas Worte beruhigten Louisa wieder etwas. Mutter scheint sich ja keine allzu großen Sorgen zu machen, dass Francis eines Tages alles erbt, dachte sie. Überhaupt ist sie ja offenbar der Ansicht, dass Vater noch recht lange zu leben hat und somit auch weiterhin für uns sorgen wird.
»Rachel hat jetzt ihre Spielstunde«, riss Georgina Lu mit sanftem Lächeln aus deren Grübeleien. »Willst du mit hochkommen ins Kinderzimmer? Wir könnten dort eine Weile mit ihr spielen.«
»Nein, ich denke, ich möchte lieber in die Bibliothek gehen und Vater ein bisschen Gesellschaft leisten.« Entschlossenen Schrittes marschierte Louisa den langen Gang hinab, bis sie die Bibliothek von Woburn Abbey erreicht hatte, und klopfte einmal höflich an, ehe sie die Tür öffnete.
»Na, meine kleine Puss«, begrüßte John Russell sie. »Puss« war seine ganze private Abkürzung für »Kätzchen«, und Louisa freute sich jedes Mal, wenn er sie so ansprach. »Bist du gekommen, um dir ein Buch auszusuchen?«
»Nein, eigentlich nicht, Vater. Stattdessen möchte ich dir gerne ein paar Fragen stellen ... Aber nur, wenn du dich auch kräftig genug dazu fühlst.«
»Ich bin stark wie ein Ochse, liebes Kind. Mach dir also keine Sorgen um mich, sondern komm her und setz dich zu mir.« John Russell hatte von jeher eine sehr entschlossene Art an sich, und was er sagte, das meinte er auch so. Es lag ihm einfach nicht, um den heißen Brei herumzureden.
Entsprechend kam auch Louisa rasch auf den Punkt und fragte unumwunden: »Was ist, wenn du stirbst? Dann erbt doch Francis alles, nicht wahr? Und wo sollen dann Mutter und der Rest von uns hin?«
Aufmerksam musterte John Louisas Gesicht. »Vor ein paar Jahren habe ich doch Campden Hill in Kensington gekauft. Du erinnerst dich? In jedem Fall habe ich das Anwesen sofort auf den Namen deiner Mutter eintragen lassen. Zumal sie sich das Haus auch selbst ausgesucht hatte. Unter anderem hatte sie sich nämlich deshalb für Campden Hill entschieden, weil es gleich neben Holland House liegt. In der Zwischenzeit habe ich das Anwesen zudem komplett umbauen und renovieren lassen, sodass ihr dort in jedem Fall eine angemessene Bleibe habt.« Er lächelte ein wenig wehmütig. »Deine Mutter liegt mir ja schon seit geraumer Zeit in den Ohren, dass sie sich in Woburn Abbey wie in einem überdimensionierten Mausoleum fühlt.«
Louisa atmete erleichtert auf.
»Außerdem stehen deiner Mutter für den Fall, dass ich sterben sollte, ja auch noch das Haus in Devon und diverse Ländereien zu. Und Francis weiß auch, dass Georgina und ich Endsleigh quasi ganz allein entworfen haben. Es sollte einmal unser Altersruhesitz werden. Ich bin mir also ziemlich sicher, dass er im Zweifelsfall keine Ansprüche darauf erheben wird. Aber warum fragst du? Hat irgendwer dir Angst gemacht und dir irgendwelche Schauermärchen darüber erzählt, was aus euch werden würde, wenn ich mal nicht mehr bin?«
»Nein, nein«, beschwichtigte Lu ihren Vater rasch. »Ich frage nur so und ohne besonderen Hintergrund. Zumal
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