Symphonie der Herzen
einem Mal sprang Georgy von ihrem Platz auf und stürmte mitten zwischen den kleinen Grüppchen hindurch, Louisa ihr dicht auf den Fersen. »Nun warte doch mal!«, rief diese empört. »Wo ist denn jetzt das Büfett aufgebaut?«
Doch statt ihrer Schwester eine Antwort zu geben, steuerte Georgy geradewegs auf James Hamilton zu und begann eine Unterhaltung mit ihm. Angewidert blieb Louisa auf der Stelle stehen, um dann in die entgegengesetzte Richtung davonzumarschieren. Ihr Ziel war der Purpurrote Salon, wo sie das Büfett vermutete. Praktischerweise begegnete sie auf dem Weg dorthin dem Prinzen von Wales.
»Meine Liebe«, hauchte er und ließ seine kurzen dicken Finger durch die Fransen ihres roten Schals gleiten, »Eure Darbietung war ganz vorzüglich. Zudem scheint mir, Ihr habt die Schönheit Eurer Mutter geerbt.« Ernst schaute er sie an. »Wie kann ich Euch meine Verehrung beweisen?«
»Organisiert mir ein Schinkensandwich, Hoheit, und ein Glas Kinderwein, bitte, ja? Ich habe solchen Hunger.«
Galant verbeugte Prinny sich, wobei er ein zufriedenes Grinsen verbarg. »Euer Wunsch ist mir Befehl, Lady Louisa. Es ist mir wie immer ein echtes Vergnügen, wenn ich einer so zauberhaften Dame, wie Ihr es seid, behilflich sein darf.«
Vorsichtshalber folgte Louisa ihrem Verehrer bis zum Büfett, wobei sie mit jedem Schritt munter die Kastagnetten klappern ließ, die sie bei ihrem spanischen Tanz benutzt hatte. Sie hatte es ja bereits geahnt: Wenn es hier irgendwo etwas Essbares gab, dann hatte der korpulente Prinzregent es mit Sicherheit bereits erspäht, ganz ähnlich einer Sau, die sogar unter den dicksten Erdklumpen noch frische Trüffel witterte.
Prinny wiederum freute sich sichtlich über den gesunden Appetit seiner hübschen Begleiterin und versuchte abermals, sie mit Komplimenten für sich zu gewinnen: »Ich muss schon sagen, Lady Louisa, Eure Familie hat mich sehr beeindruckt. Besonders Eure Brüder sind zwei ganz famose junge Herren.«
Lu aber runzelte nur misstrauisch die Brauen. Ihre Brüder famose junge Herren? Um Himmels willen!, dachte sie. Die beiden benehmen sich doch kaum besser als ein Haufen Wilder. Aber bitte, wenn der junge Prinzregent meinte ... Hastig schluckte sie den letzten Bissen von ihrem Sandwich hinunter, um sich gleich darauf auch schon wieder zu verabschieden. »Vielen Dank für den kleinen Snack, Euer Hoheit. Überhaupt finde ich die Party hier einfach fantastisch. Aber nun würde ich mich gerne ein wenig zurückziehen, um meinen Wein zu genießen.« Mit wichtiger Miene knickste sie einmal kurz vor Prinny und eilte dann auch schon davon.
Aufmerksam musterte Louisa die Reihen der stolzen Eltern, die natürlich mit zu diesem Fest geladen worden waren, und suchte nach ihrer Mutter. Doch die war nirgends zu entdecken. Stattdessen schaute sie plötzlich direkt in die strahlenden Augen einer auffallend attraktiven jungen Frau, die einen weißen Turban trug, an dessen Vorderseite wiederum ein dicker Rubin prangte. »Prinzessin Lieven«, hauchte Louisa bewundernd und lächelte höflich, als sie sich wieder daran erinnerte, dass dies die Frau des russischen Botschafters war. Die Prinzessin erwiderte Lus Lächeln und forderte sie mit freundlicher Geste auf, zu ihr zu kommen; frohgemut nahm Louisa neben der Prinzessin Platz. »Prinzessin Lieven, wie schön, Euch zu sehen. Gefällt Euch die Party?«
»Ich muss gestehen, ich fand es zunächst ein wenig langweilig hier - bis ich Eure kleine Darbietung gesehen habe.« Neugierig strich die Botschaftergattin mit den Fingerspitzen über Lus feinen roten Seidenschal. »Das ist aber eine ziemlich gewagte Nuance für eine so junge Dame, nicht wahr? Es ist wohl Eure Lieblingsfarbe?«
»Ja, ich liebe alles, was rot ist. Ich fühle mich irgendwie lebendiger, wenn ich Rot trage.«
»Ihr habt ein feines Gespür für die Wirkung von Farben, Lady Louisa. Und Rot hat in der Tat seine ganz eigene Magie, da gebe ich Euch Recht. Im Übrigen steht es Euch ganz vorzüglich - mit Eurem schwarzen Haar und den funkelnden grünen Augen. Ihr solltet öfter etwas Rotes tragen.«
Louisa wusste kaum, wo ihr der Kopf stand, so verwirrt war sie darüber, von einer solch ehrwürdigen Dame ein Kompliment zu erhalten. »Und was ist mit Euch? Ihr tragt ja auch etwas Rotes - an Eurem Turban, meine ich. Seid Ihr etwa eine Zigeunerin?«
Amüsiert brach die Botschaftergattin in perlendes Gelächter aus. »Oh, nein, meine Liebe«, gluckste sie. »Ich bin blaublütig, darauf
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