Symphonie der Herzen
hastig erst nach rechts und dann nach links wandte und nach ihrer Mutter suchte - und schließlich ganz am anderen Ende des Salons den hochmodischen Hut von Georgina über der Menge schweben sah. Keine andere Dame trug solch extravagante Hutkreationen wie ihre Mutter, sodass es Louisa nicht schwerfiel, die Herzogin im Blick zu behalten, während sie sich energisch zu ihr durchdrängelte. Zu ihrer Enttäuschung aber war ihre Mutter nicht allein, sondern umringt von einer ganzen Schar von jungen Leuten, die alle lebhaft auf sie einredeten. Charles und Jack, Lus Brüder, sowie ihr Cousin Arthur Lennox sprachen alle wild durcheinander. Wahrscheinlich erzählten sie irgendwelche langweiligen Geschichten aus der Schule; Louisa jedenfalls konnte kaum ein Wort davon verstehen. Zudem drängte auch noch eine ganze Reihe von Charles’ und Jacks Schulkameraden aus Westmins-ter heran, zu denen augenscheinlich auch ein gewisser James Hamilton gehörte, woraufhin Georgy sich mit einem Mal angestrengt bemühte, mit klimpernden Wimpern den jungen Abercorn auf sich aufmerksam zu machen. Louisa konnte nur verächtlich schnauben. Ihre Schwester führte sich ja so lächerlich auf!
Und dann kamen auch noch Tante Charlotte, die Herzoginwitwe von Richmond, und deren drei jüngste Töchter Madelina, Lottie und Sophia angerauscht. Dummerweise lag Fife House, das Zuhause von Charlotte und ihren Kindern, nämlich gleich um die Ecke, sodass man kaum einmal etwas ohne die drei Mädchen unternehmen konnte.
»Ah, da bist du ja, mein Kätzchen«, sagte Georgina schließlich und schaute liebevoll auf ihre Tochter hinab. »Deine Aufführung war ganz fantastisch. Ich bin sehr stolz auf dich.«
Auch Madelina, Lottie und Sophia sahen Louisa bewundernd an, während ihre Brüder nur höhnisch kichernd von dannen zogen -doch die zählten für Lu ja ohnehin nicht.
»Hast du Hunger? Der Tanz war doch sicher anstrengend«, fragte Georgina ihre Tochter besorgt und strich ihr einmal über den Schopf.
Louisa wollte gerade etwas erwidern, als plötzlich James Hamilton sich vordrängte und irgendetwas aus seiner Tasche hervorzerrte. Wieso war er denn nicht mit den anderen Jungs gegangen? Doch es war zu spät, um sich nun noch zu verstecken, und so wartete Lu mit mürrischer Miene ab, was er von ihr wollte.
»Ich habe Euch etwas mitgebracht, Lady Louisa«, verkündete Abercorn und streckte ihr die geöffnete Hand entgegen.
Lu aber schnitt ihm höflich, doch unmissverständlich das Wort ab. »Nein, vielen Dank«, entgegnete sie. »Seine Königliche Hoheit, der Prinz von Wales, hat mir bereits ein paar Sandwiches gereicht.« Mit einem Mal jedoch blitzte es in ihren smaragdgrünen Augen auf, als sie sah, was James Abercorn ihr darbot, und sie schnappte sich begeistert das kleine Präsent. »Eine Marzipanmaus!«, jauchzte sie ehrlich erfreut. »Oh, wie lieb von Euch. Da kann ich natürlich nicht Nein sagen.« Genüsslich knabberte sie an der Leckerei.
Wenige Augenblicke später wandten sich die beiden Herzoginnen mitsamt ihren Töchtern auch schon wieder von dem jungen Abercorn ab und steuerten auf die imposante Haustür von Carlton House zu - sie waren nun lange genug auf diesem Fest gewesen und sehnten sich nach etwas Ruhe. James hingegen stand noch immer wie angewurzelt an seinem Platz und schaute Lady Louisa Russell hinterher. Ihr Tanz hatte ihn geradezu verzaubert, und ihre geschmeidigen, anmutigen Bewegungen in Kombination mit ihrer exotischen Schönheit hatten sich so unauslöschlich in sein Herz eingebrannt, dass es fast schon schmerzte und er an keine andere mehr denken konnte als an sie. Tatsächlich war er regelrecht hingerissen von ihr, und auch dass sie an diesem Tag ganz in Rot gekleidet war, schien ihm wie ein verheißungsvolles Omen, denn schließlich war die Farbe des Wappens der Abercorns ebenfalls ein dunkles Karmesin.
»Ich wusste, wie ich dich letztendlich doch noch kriege«, murmelte er mit einem selbstgefälligen kleinen Grinsen. »Ich musste dich nur dazu bringen, mir aus der Hand zu fressen. Ein Trick, der auch schon bei meiner arabischen Stute gut funktioniert hat!«
Montagu House, London August 1894
»Und? Hat das deine Neugier fürs Erste befriedigt?«, fragte die Herzoginwitwe Louisa ihre Urenkelin mit einem verschmitzten kleinen Lächeln, woraufhin Maud eifrig nickte.
»Ja, Euer Hoheit, ich danke Euch, dass Ihr uns diese Geschichte erzählt habt. Immerhin ist das hier ja Euer Geburtstagsempfang. Es gibt für Euch gewiss
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