Symphonie der Herzen
Claud weitaus mehr als nur ein großer Bruder bist. Und wen immer du eines Tages heiraten wirst - die junge Dame darf sich in jedem Fall schon jetzt sehr, sehr glücklich schätzen.«
Wie erwartet, trafen gleich am nächsten Tag James’ Halbbrüder in Bentley Priory ein, und sie brachten erstaunliche Neuigkeiten mit. »König George ist tot«, platzte gleich der Erste von ihnen heraus. »Unser Schulleiter hat es uns heute Morgen erzählt, gleich nachdem ihn die Nachricht aus Windsor Castle erreicht hat.«
»Der Arme«, murmelte Harriet voller Mitgefühl. »Das bedeutet dann wohl, dass ab sofort der Herzog von Clarence unser neuer König ist. James, hattest du nicht gesagt, dass auch er und seine Frau in Woburn Abbey zu Gast waren?«
»So ist es«, erklärte James. »Und er hat sich ausgesprochen bodenständig gegeben, gemessen daran, dass er ja bereits die Nummer eins in der Thronfolge war. Mir persönlich jedenfalls ist der Mann überaus sympathisch. Im Übrigen hatte ich ja keine Ahnung, dass ich quasi schon mit der neuen Königin von England tanzte, als ich Prinzessin Adelaide vor ein paar Tagen zu einer Quadrille aufgefordert habe.«
Voller Hass starrten seine Halbbrüder James an. Sie waren ja ohnehin schon neidisch auf seine athletische Figur und seine Titel.
Dass er sich nun aber auch noch als Freund des neuen Königs und der neuen Königin von England auswies - nein, das war nun wirklich zu viel!
Verstohlen schauten James und sein jüngerer Bruder Claud sich einmal kurz an, denn da sie beide wohlunterrichtet waren in den politischen Geschehnissen des Landes, ahnten sie bereits, welchen Aufruhr Prinnys Tod zur Folge haben würde. Wie auf ein geheimes Zeichen hin verließen sie Seite an Seite den Salon und zogen sich zu einem kurzen Gespräch unter vier Augen ins Nebenzimmer zurück.
»Durch den Tod des Königs stehen doch nun automatisch Neuwahlen an, nicht wahr?«, erkundigte Claud sich wissbegierig.
»In der Tat«, bestätigte James. »Die Konservativen werden sich ganz schön ins Zeug legen müssen, um nochmals die Mehrheit für sich zu gewinnen.«
»Aber was geschieht dann mit Aberdeen? Zurzeit ist er doch Außenminister. Bedeutet das dann nicht, dass er sein Amt verlieren wird?«
»Im Augenblick sieht es zumindest ganz danach aus. Wie ich schon sagte: Auch er wird dann noch mal kandidieren müssen. Aber angesichts seines aufbrausenden Temperaments hat er wohl keine guten Chancen. Die Liberalen werden die Konservativen diesmal das Fürchten lehren, so viel jedenfalls ist gewiss.«
»Ich will nicht hier sein, wenn Aberdeen zurückkehrt«, nörgelte Claud. »Ich hasse diesen überheblichen Bastard. Können wir uns nicht schon ein bisschen eher nach Irland verdrücken?«
»Nein, können wir nicht. Ich möchte nicht, dass Mutter seine Wutanfälle über den Verlust seines Amtes ganz alleine ausbaden muss. Außerdem steht ja auch noch die Beerdigung des Königs an. Da dürfen wir auf keinen Fall fehlen. Versuch also bitte, dich noch ein wenig zu gedulden.«
Am Abend desselben Tages bat Harriet ihren Ältesten zu einem privaten Gespräch in ihren Salon. »Wie du weißt, wird Aberdeen in Kürze nach Bentley Priory zurückkehren.« Sie schluckte einmal. »Und wenn ich die Lage richtig einschätze, dann wird er außer sich sein vor Zorn, dass er nun bald sein Amt verliert und demnächst wahrscheinlich auch noch die Whigs die Mehrheit stellen werden. Mit einer Regierung aus lauter Liberalen kann er sicherlich überhaupt nicht umgehen.«
»Hab keine Angst, Mutter. Ich werde dich beschützen. Ich werde nicht zulassen, dass er seine Wut wieder einmal an dir auslässt.«
»Das ist sehr lieb von dir, James. Andererseits denke ich, dass vielleicht deutlich weniger Spannungen auftreten würden, wenn du und Claud ... wenn ihr beide gar nicht mehr hier wärt, wenn er kommt. Denn wie wir alle wissen, gehört Bentley Priory ja eigentlich dir. Auch Aberdeen hat das noch längst nicht vergessen - auch wenn er gerne so tut. Und darum fürchte ich bereits den Augenblick, wenn ihr einander das nächste Mal gegenübertretet. Er wird euch schikanieren, wo er nur kann, und wenn es dann mal wieder zu den altbekannten Streitereien kommt, werden nicht nur seine Söhne, sondern auch seine Töchter geschlossen gegen euch sein.«
»Mach dir keine Sorgen, Mutter. Aberdeens Spötteleien prallen einfach von mir ab.«
»Das ist schön zu hören, meine Lieber, und dennoch - für mich wär’s leichter, wenn ihr nicht hier
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