Symphonie der Herzen
fassen! Georgy will tatsächlich die intimen Details wissen. »Nun, jedenfalls genug«, entgegnete sie ein wenig verlegen.
Aufmerksam musterte Georgina ihre beiden Töchter, ehe man sich gemeinsam auf den Weg zum St. Jamess Palace machte. Sowohl Georgy als auch Louisa waren ganz in Weiß gekleidet und trugen elegante Roben mit dezentem Halsausschnitt, zierlichen Keulenärmeln und dazu passenden Handschuhen. »Gut, dass Ihr nicht Eure Diamanthalsketten angelegt habt«, murmelte Georgina nachdenklich, während sie hier und da einmal an den Kleidern zupfte. »Wir wollen Königin Adelaide ja nicht den Rang ablaufen, nicht wahr?«
»Und es ist auch gut, dass Georgy als Erste vorgestellt wird.« Sorgenvoll blickte Louisa ihre Mutter an. »Mir selbst krampft sich vor lauter Aufregung schon der Magen zusammen.«
»Aber wie kommt denn das, Louisa? Du hast doch sonst auch keine Probleme damit, dich auf einer Bühne zu präsentieren.«
»Das ist doch etwas vollkommen anderes, Mutter. Auf der Bühne schlüpfe ich in irgendeine Rolle. Heute Abend aber bin ich nur ich selbst. Und das verunsichert mich.«
»Ich kann mich noch gut daran erinnern«, sinnierte Georgina, »als ich offiziell in die Gesellschaft eingeführt worden bin. Es ist, als wäre es erst gestern gewesen. Zuerst hatte ich noch riesige Angst, weil ich mir nicht ganz sicher war, ob mein Vater es tatsächlich noch rechtzeitig aus Schottland bis an den Königlichen Hof schaffen würde. Dann aber sah ich in der Menge plötzlich seinen wilden Schopf, und sofort war sämtliche Nervosität verflogen, und langsam kehrte auch mein Selbstbewusstsein wieder zurück. Ihr dagegen habt Glück, ihr braucht euch nicht darum zu sorgen, ob euer Vater wohl dabei sein wird oder nicht. Es gibt nichts, was John davon abhalten könnte, euch zu eurem ersten offiziellen Besuch bei der Königin zu begleiten.«
»Wie gefällt dir eigentlich mein Haar?«, flüsterte Georgy Louisa zu, während Georgina weiter in Erinnerungen schwelgte. »Ich habe es aufstecken lassen. Was meinst du, macht mich das ein bisschen größer?«
»Aber ja doch«, versicherte Louisa ihr leicht enerviert. »Überhaupt siehst du ganz hinreißend aus.«
Vor dem St. Jamess Palace stiegen John, Georgina, Georgy und Lu einer nach dem anderen aus ihrer Kutsche aus und fügten sich in die Reihe der Wartenden ein, die langsam die riesige Empfangshalle des Palasts betraten. Drinnen angekommen, ging es weiter in das Vorzimmer zum Audienzsaal, wo man abermals warten musste, bis die Debütantinnen und deren Eltern zur Königin vorgelassen wurden.
»Dorothy!«, jauchzte Georgina plötzlich und begrüßte überschwänglich ihre alte Jugendfreundin, die älteste Tochter der damaligen Herzogin von Devonshire. »Dich habe ich ja schon ewig nicht mehr gesehen.« Einst hatten sie zusammen debütiert und waren beide am gleichen Abend der Königin vorgestellt worden. »Jetzt sag bloß nicht, dass auch deine Tochter Blanche heute Abend debütiert? Meine beiden Ältesten sind nämlich auch hier. Was für ein wunderbarer Zufall!« Sofort stellte Georgina ihre beiden Mädchen Dorothy, der Gräfin von Carlisle, und deren Tochter Blanche Howard vor. Dabei machte sie sich im Geiste rasch eine kleine Notiz, dass sie Dorothy und Blanche unbedingt auch zu dem Ball zu Ehren ihrer Töchter einladen musste.
In diesem Moment drängelten sich auch Charlotte, die Herzoginwitwe von Richmond, und ihre jüngste Tochter durch die Menge und steuerten geradewegs auf die Russells zu; auch Sophia debütierte an diesem Tage. »Ist das etwa Dorothy Cavendish?«, flüsterte Charlotte an ihre Schwester gewandt. »Gott oh Gott, ich muss schon sagen - die ist ja immer noch riesig. Und auch ihre linkische Art hat sie über die Jahre nicht eingebüßt. Na ja, immerhin ist sie nicht mehr so mager, Gott sei’s gedankt.«
»Ja, ihre Tochter Blanche wird heute Abend ebenfalls debütieren«, seufzte Georgina. »Also noch ein hübsches junges Mädchen, das sich auf dem Heiratsmarkt zu behaupten versucht.«
Flüchtig musterte Charlotte Blanche einmal von Kopf bis Fuß und raunte schließlich: »Aber die ist bestimmt keine Konkurrenz. Schau sie dir doch bloß mal an, so blass und leblos, wie sie ist. Nur gut, dass sie wenigstens das Vermögen der Cavendishs und Howards im Hintergrund hat. Sonst würde die nie einen Mann abbekommen.«
»Ich weiß noch«, murmelte Georgina leise, »wie du bei Devonshire Debütantinnenball gesagt hast, dass offenbar alle Mütter ihre
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