Symphonie der Herzen
Gänse für Schwäne hielten.« Sie kicherte leise. »Und ich glaube, du hattest recht. Sogar unsere eigene Mutter war ja ein klitzekleines bisschen voreingenommen.«
»Aber, Georgina, ich bitte dich. So etwas soll ich gesagt haben? Das ist doch in jedem Fall schon eine Ewigkeit her. Ich für meinen Teil habe es mittlerweile jedenfalls geschafft, ganze sechs meiner
Gänschen sehr lukrativ zu verheiraten. Und ich hoffe« - sie seufzte einmal »dass Sophia da keine Ausnahme bilden wird.«
»Natürlich nicht. Die Nummer sieben ist doch schließlich eine Glückszahl. Auch Sophia wird einen präsentablen Ehemann finden.«
Ein wenig abergläubisch kreuzte Charlotte die Finger und murmelte ein rasches Stoßgebet, ehe sie sich abermals ihrer Schwester zuwandte: »Falls Lord Thomas Cecil nicht doch noch einen Rückzieher macht, wird Sophia gleich im ersten Jahr nach ihrem Debütantinnenball bereits verheiratet sein. Das wäre doch mal was!«
Endlich wurden die mächtigen Flügeltüren zum Audienzsaal geöffnet, und Schritt für Schritt schob sich die Menge in den lang gestrecken Raum, um sich dann entlang der Wand aufzureihen. Staunend betrachtete man den weitläufigen Saal mit seinen kostbaren Wandtepppichen und den Darstellungen so ziemlich sämtlicher Könige und Königinnen, die jemals an diesem Hof regiert hatten, wobei das Porträt des letzten Königs eindeutig den Ehrenplatz einnahm.
Der Obersthofmeister hatte bereits Posten bezogen und rief nun mit würdevoll näselndem Tonfall in alphabetischer Reihenfolge sämtliche adligen Familien auf, wobei diesmal explizit auch die Töchter mit erwähnt wurden.
Gespannt sah Louisa zu, wie Blanche Howard langsam den langen Saal entlangschritt, bis sie beinahe den Thron von Königin Adelaide erreicht hatte. Dort, in respektvollem Abstand vor der Königin, blieb sie einen Moment stehen, begrüßte Adelaide mit der vorgeschriebenen und immer gleichen Formel, woraufhin diese den Gruß mit gleichsam starrer Floskel erwiderte - und dann war das Zeremoniell auch schon wieder vorbei. Raschen Schrittes ging Blanche weiter, um dem nächsten Mädchen Platz zu machen. Louisa war ehrlich verblüfft, wie schnell doch im Grunde alles ging.
Unterdessen hatte Georgy vor lauter Nervosität damit begonnen, unablässig an ihrer kunstvoll aufgesteckten Frisur herumzuzupfen, sodass sich, als Sophia Lennox’ Name aufgerufen wurde, bereits eine dünne Strähne daraus gelöst hatte. Lu hoffte sehr, dass Georgy sich noch ein wenig gedulden konnte, denn da ihr Name fast ganz am Ende des Alphabets stand, würden sie wohl oder übel warten müssen, bis der Großteil der Mädchen an ihnen vorbeiprozessiert war.
Unauffällig neigte der Herzog von Bedford den Kopf und flüsterte an Louisa gewandt: »Die schönsten Damen heben sie sich immer bis ganz zum Schluss auf.« Aufmunternd zwinkerte er ihr einmal zu.
Lu jedoch schaute nur zweifelnd zu ihrem Vater auf, bis sie mit einem Mal das warmherzige Leuchten in seinen Augen sah. Im Bruchteil einer Sekunde begriff sie, wie sehr er sie liebte, und diese Liebe gab ihr die Kraft und die Zuversicht, dem bevorstehenden Prozedere mit Selbstvertrauen zu begegnen.
Fast eine ganze Stunde war schon verstrichen, als der Obersthofmeister schließlich verkündete: »Lady Georgianna Russell, älteste Tochter des Herzogs und der Herzogin von Bedford.«
Lu hielt den Atem an, während sie zusah, wie ihre Schwester durch den langen Audienzsaal strebte. Im Stillen betete sie darum, dass Georgy nicht stolpern möge, und seufzte zutiefst erleichtert, als diese schließlich einen makellosen Hofknicks vor der Königin vollführte.
Und dann war sie an der Reihe. »Lady Louisa Russell«, verkündete der Obersthofmeister, »Zweitälteste Tochter des Herzogs und der Herzogin von Bedford.«
Entschlossen straffte Louisa die Schultern, hob das Kinn und schritt würdevoll, doch zügig auf die Königin zu. Sie spürte ganz genau, dass quasi alle Welt sie in diesem Moment neugierig von Kopf bis Fuß musterte, doch davon ließ Lu sich überhaupt nicht aus der Ruhe bringen, sondern setzte, als sie vor der Königin angelangt war, ihr charmantestes Lächeln auf und sank in den vorgeschriebenen Hofknicks.
»Meine liebe Louisa!«, begrüßte Adelaide sie ohne Rücksicht auf die höfische Etikette und vollkommen informell. »Wie schön, Euch heute Abend hier zu sehen. Und zu welch einer Schönheit Ihr Euch entwickelt habt! Ihr seid das Ebenbild Eurer Mutter. Ich hoffe doch, Euch das eine
Weitere Kostenlose Bücher