Symphonie des Lebens
auszusprechen.
»Madame!« sagte er laut. »Wenn ich Sie recht verstehe, soll ich Ihnen ein anderes, ebenso schönes Gesicht machen. Ich soll Sie umwandeln, ich soll Sie unkenntlich machen, Sie wollen ein neuer Mensch sein. Sie nicken, also stimmt es. Wenn eine Frau wie Sie sich zu solchen Schritten entschließt, muß die Notwendigkeit von einer ungeheuren Tragweite sein. Meistens sind es kriminelle Triebkräfte. Madame … ich korrigiere Grausamkeiten der Natur oder Schäden des Wohllebens … aber ich leiste keine Beihilfe zu Verbrechen!«
Carola Donani blieb sitzen, obgleich Dr. Lombard an der Tür stand und es offensichtlich war, daß seine Worte ein deutlicher, wenn auch nicht ausgesprochener Hinauswurf waren.
»Sie irren, Doktor«, sagte sie. Dr. Lombard blieb an der Tür stehen.
»Wieso, Madame?«
»Ich habe keine Möglichkeiten, Ihnen Beweise zu bringen. Ich kann Ihnen nur sagen, daß ich Ihnen schwöre, kein Verbrechen vertuschen zu wollen. Ich weiß nicht, ob Ihnen der Schwur einer Frau sicher genug erscheint –«
»Wenig, Madame.« Lombard neigte den Kopf und kam langsam ins Zimmer zurück. »Der Schwur einer Frau ist wie das Einziehen der Krallen bei einer Katze. Trotz der Sammetpfote bleiben die Krallen in ihr –«
»So etwas kann nur ein Franzose sagen.« Carola lachte, aber es klang gespielt und viel zu rein. »Ich möchte Ihnen keinen Glauben an meine Worte aufdrängen. Aber Sie werden verstehen, was ich meine, wenn ich Ihnen sage, daß ich einen Geliebten habe.«
Dr. Lombard hob die Augenbrauen. Als Franzose wunderte er sich nicht über dieses Geständnis. Eine Vielzahl der Frauen, die über seinen Operationstisch gegangen waren, hatten ihre Korrekturen nicht wegen ihrer Ehemänner, sondern nur wegen ihrer Geliebten erlitten.
»Er ist jung?« fragte Dr. Lombard sofort.
»Ja.«
»Madame sind aber auch nicht dreißig.«
»Siebenundzwanzig.«
»Ich könnte Sie verstehen, wenn sie fünfundvierzig und darüber sind und Gefallen an einem zwanzigjährigen Ritter fänden.«
»Ich bin meinem Freund zu deutsch.«
»Wie bitte?« Dr. Lombard setzte sich und schob die Brille auf die Nase. Dieses Geständnis war das verblüffendste seiner bisherigen Praxis. »Zu deutsch?«
»Ich bin blond … natur, Doktor.«
»Kann man färben.«
»Aber mein Gesicht, der Schnitt meiner Augen, die Brauen, die Nase … alles das ist nordisch …«
»Gewiß. So rein wie aus einem Typenlehrbuch.«
»Mein Freund aber liebt das Südländische.«
»Ein Idiot. Verzeihung, Madame.«
»Er liebt schwarze Haare, Mandelaugen, geschwungene Augenbrauen, eine schmale, gerade, kleine Nase … er liebt die Mischung zwischen Okzident und Orient … Also etwas anderes, als ich es bin. Und ich möchte so sein, wie er mich möchte. Verstehen Sie das jetzt, Doktor?«
»Nein«, antwortete Dr. Lombard ehrlich. »Wenn es wahr ist, was Sie sagen … Madame, ich will nicht zweifeln … dann gehört Ihr Freund in eine psychiatrische Untersuchung. Auf keinen Fall verstehe ich, daß Sie sich seinetwegen entstellen wollen.«
»Nicht entstellen, Doktor. Sie sollen aus mir eine südliche Schönheit machen.« Carola sah Dr. Lombard frei an. »Sie dürften doch am besten wissen, wozu eine Frau fähig ist, wenn sie liebt.«
»Leider.« Dr. Lombard seufzte und legte die Hände zusammen. Über die Fingerspitzen hinweg blickte er Carola forschend an. »Die Operation wird ungefähr 20.000 Francs kosten.«
Carola stand mit einem Ruck auf. »Ich verlasse mich da ganz auf Ihre Erfahrungen. Ich zahle.«
Dr. Lombard erhob sich gleichfalls. Er war von minderer Energie als Carola, er zögerte deutlich.
»Darf ich mir den Fall noch einmal überlegen, Madame?«
»Bitte, Doktor. Ich komme morgen wieder. Und ich kann gleich in Ihrer Klinik bleiben, wenn Sie sich entschlossen haben.«
»Das ist gut.« Dr. Lombard küßte Carola die Hand. Sie trug keinen Ehering mehr, aber Dr. Lombard sah an der helleren Färbung der Haut am Finger, wo er einmal gesessen hatte. »Geben Sie bitte der Oberschwester im Geschäftszimmer Ihren Namen und die Anschrift, Madame.«
Carola nickte. »Bis morgen, Doktor.«
»Bis morgen, Madame.«
Im Geschäftszimmer nahm die Oberschwester die Personalien auf. Carola nannte sich Magda Burger, wohnhaft in Gießen, Korbachweg 19.
Dr. Lombard wartete, bis er Carola aus dem Hause treten sah und sie hinunterging zum Parktor, vor dem die Taxe wartete. Er nahm die neue Karteikarte und las die Angaben langsam durch.
Der Name ist
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